: Waldstraßen: Freie Fahrt ins Ostgebiet
■ Verkehrsverwaltung prüft die Sperrung von einem guten Dutzend Waldstraßen / Auftrag des Abgeordnetenhauses / CDU Zehlendorf polemisiert großdeutsch: „Königstraße führt nach Danzig“ / Proteste kommen auch aus der SPD Reinickendorf
Anhand der Stellungnahmen der betroffenen Bezirke will die Verkehrsverwaltung jetzt bis Ende September prüfen, welche Waldstraßen für den Kraftfahrzeugverkehr gesperrt werden können. Damit kommt die Verwaltung einem im Mai gegebenen Parlamentsauftrag nach. Es gilt, die Interessen von Anliegern und Erholungssuchenden mit möglichen Umweltentlastungseffekten abzuwägen. Neben der Havelchaussee sind mittlerweile ein gutes Dutzend Straßen in insgesamt sechs Bezirken im Gespräch.
Charlottenburg: Das kurze Teilstück der Straße am Postfenn zwischen Scholzplatz und Bezirksgrenze südlich Stallupöner Allee.
Reinickendorf: Die Rote Chaussee (auch „Franzosenchaussee“ genannt) zwischen Frohnau und Heiligensee, die Oranienburger Chaussee, Rupiner Chaussee, Bernauer Straße, Frederickestraße, der Marienwerderweg in Jungfernheide sowie der Schwarze Weg (Tegel).
Spandau: Die Schönwalder Allee (zwischen Johannesstift und Grenze), die Niederneuendorfer Allee (vom Papenberger Weg nördlich des Kraftwerks Oberhavel an), der nördliche Teil der Havelchaussee (ab der Teltower Straße bis Angerburger Allee).
Neukölln: Der Straßenzug Sollmannweg - Friedrich-Kayßler-Weg am Gropiusstädter Vogelwäldchen.
Wilmersdorf: Das Teilstück der Straße am Postfenn zwischen Bezirksgrenze/Stallupöner Allee und der Havelchaussee, die Koenigsallee zwischen der Unterkunft der Polizeireiterstaffel am Hundekehlefenn und Kleinem Stern, die Teufelsseechaussee.
Zehlendorf: Der Nikolskoer Weg zur Pfaueninsel, der Hüttenweg (zwischen Avusverteiler und Pücklerstraße), die Kohlhasenbrücker Straße (ab der Alsenbrücke), die Königsstraße in Wannsee (zwischen Friedensstraße und Glienicker Brücke), der Stahndorfer Damm (zwischen Potsdamer Chaussee und „Rose Range“ Schießplatz), der Königsweg in Düppel, die Onkel-Tom-Straße (von der Rodelbahn bis Kleiner Stern).
Die nunmehr der Verkehrsverwaltung komplett vorliegenden Stellungnahmen der Bezirke zu den sie betreffenden Vorhaben lassen sich im Prinzip nach der politischen Gesäßgeographie unterteilen. Während zum Beispiel die „bürgerlichen“ Bezirke Reinickendorf und Zehlendorf dem motorisierten Individualverkehr durchs Grüne größtenteils weiterhin eine Bresche schlagen wollten, signalisierte die sozialdemokratische Hochburg Spandau Zustimmung. Pikanterweise war es in Reinickendorf jedoch der SPD -Baustadtrat Hampel, der sich gegen die Pläne des Senats wandte. Es könne nicht angehen, daß die „Privatmeinung“ eines Stadtrates als Position eines Bezirks gelte, äußerte sich die Bezirks-AL prompt mokiert. Die Frage einer Sperrung von Waldstraßen sei in der Bezirksverordnetenversammlung noch gar nicht diskutiert worden.
Zehlendorfs Bezirksbürgermeister Klemann (CDU) gab zuerst in einer Mitteilung des CDU-Kreisverbandes laut, was die vorwiegend politisch ausgerichtete Debatte kennzeichnet. Gegenüber der taz schwelgte der CDU-Baustadtrat Menzel hilfsweise gar in großdeutschen Reminiszenzen. Menzel: „Die Königstraße ist im Rahmen der Bundesstraße1 nicht nur eine Verbindung für den Zehlendorfer Bereich, sondern von Danzig bis ins Ruhrgebiet, wenn Sie auf die Karte gucken. Die Glienicker Brücke hat die andere Seite zugemacht, nun wollen wir nicht von uns aus das Unsere dazu tun.“ Die Senatsplaner wollten die erholungssuchende Bevölkerung daran hindern, den mit viel Mühe hergerichteten Schloßpark Glienicke „genüßlich“ in Augenschein zu nehmen, kritisierte Menzel. Für Großfamilien sei eine ersatzweise Fahrt mit dem BVG-Bus nämlich „nicht zumutbar“.
Eine Sperrung der Onkel-Tom-Straße hatte der Bezirk bereits 1986 abgelehnt. An die Wand gemalt wurde eine unerwünschte Verkehrsverlagerung unter anderem zur Clayallee und in amerikanische Wohngebiete. Läßt sich die Sperrung nicht durchsetzen, plädiert das Landesforstamt wenigstens für eine Tempo-30-Regelung auf dem Straßenzug Onkel-Tom -Straße/Hüttenweg.
Besorgnis rufen die durch Raser gerade auf diesem Straßenzug verursachten zahlreichen Wildunfälle hervor. Eine bessere Überlebenschance möchte das Forstamt auch Fröschen und Kröten geben. Referatsleiter Lakenberg: „Das geänderte Straßenrecht ergäbe zusätzliche Möglichkeiten, Waldstraßen nach dem Beispiel der Schönwalder Allee während der Wanderzeit vom Amphibien zu sperren.“
thok
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen