Pluspunkt

Im vierten Programmjahr des ARD-Satellitenfernsehens stehen diesmal auf der Funkausstellung erstmals die Programmaktivitäten im Mittelpunkt. Siebenmal produziert Eins Plus eine eigene Talkshow, die sich von den übrigen TV -Rummel der Sendeanstalten nicht nur dadurch unterscheidet, daß sie außerhalb des Funkausstellungsgeländes, in einem Berliner Cafe stattfindet. Das Heartbreak-Cafe, normalerweise Tummelplatz für nachtschwärmende Touristenhorden und braungebrannte Goldkettchenträger, ist Schauplatz der abendlichen Talk-Runden.

„Sex and Soap - Das Fernsehen der Zukunft“ stand am Sonntag auf dem Programm. Als kompetente Gesprächspartner hatte Moderatorin Hannelore Gadatsch den RTL-Programmdirektor Helmut Thoma, seinen ARD-Kollegen Dietrich Schwarzkopf, Franca Magnani als Kennerin der italienischen Medienszene, Lutz Hachmeister, den Leiter des Grimme-Instituts, und die Feministin Sybille Plogstedt geladen. Wo sind nun die Schamgrenzen des Fernsehens, wenn es um erotische Darstellungen geht? Für den schwergewichtigen Herrn Thoma ist das ganz einfach. Das ganze Leben spiele sich doch auf Kegelbruder-Niveau ab, und da gehören 18jährige Betthäschen, die sich mit Teddy im Arm langsam vor der Kamera ausziehen, eben mit dazu. RTL mache mit seinen erotischen Sendungen ein „sozial verträglicheres Programm“ als die Öffentlich -Rechtlichen mit ihren brutalen Action-Krimis. Herr Schwarzkopf mag dem nicht zustimmen, sondern vertritt sehr souverän die ARD-Position, die auch in Zukunft kein explizites Sex-Magazin im Sendeschema vorsieht, sondern Erotik nur in seriösen Filmbeiträgen verpackt anbieten will. Im übrigen fände er persönlich eine angezogene Julie Winter wesentlich aufregender als die fleischig nackten Sexy Folies bei RTL. Lutz Hachmeister, von Frau Gadatsch immer wieder als der Medienexperte in die Diskussion gebracht, verteilt kluge Seitenhiebe. Über das konkrete Beispiel „Sex im Fernsehen“ kommt er immer wieder auf die allgemeine Programmverflachung und die Selbstgefälligkeit der alten Öffentlich-Rechtlichen Anstalten zu sprechen.

Alles in allem ist die Eins Plus Talkshow eins der wenigen Beispiele, daß sich TV-Produktionen rund um die IFA nicht immer auf dem Niveau von infantilen Ratespielen umrahmt von geistlosen Moderatorengags abspielen müssen. Nur Hannelore Gadatsch hätte schärfer zupacken müssen, anstatt die Sex -Diskussion nach einer guten halben Stunde abzuwürgen, um gegen die merkliche Unlust der Gesprächsrunde und der Zuschauer das Seifenopern-Thema einzuführen.

Ute Thon