D2-Mac ist kein Luxus-Whopper

■ Der Megatrend Satellitenkommunikation entpuppt sich bei näherem Hinsehen als heilloses Chaos / Verschiedenste Normen, Mangel an empfangbaren TV-Programmen, Hersteller und Betreiber ratlos

Während sich die Teilnehmer der einzigen Gegenveranstaltung zur diesjährigen Funkausstellung noch die Köpfe heiß redeten, wie man das Satansmedium Fernsehen am besten abschaffen könnte, liefen im ICC die Vorbereitungen für das 3tägige MedienForum bereits auf Hochtouren. Unter dem Motto Tendenzen der Kommunikationsgesellschaft der neunziger Jahre im gemeinsamen europäischen Markt tagen seit Mittwoch 1.000 Medienexperten aus In- und Ausland, um die umfassende Nutzung der Kommunikationselektronik zu erörtern, und zwar brandaktuell und praxisorientiert. Ein Schwerpunkt des von und vor allem für private Programmanbieter organisierten Symposiums galt den Satelliten am europäischen Himmel. Die Satellitenkommunikation diente bislang vor allem dem Funkverkehr, den Fernbeobachtungen der Erde, der internationalen Vermittlung von Telefongesprächen und Geschäftsdaten oder der Verteilung von Fernsehprogrammen. Durch die fortschreitende Technik ist in den letzten Jahren eine neue Aufgabe hinzugekommen: Das Satellitenfernsehen, das die Abstrahlung von Fernseh- und Hörfunkrpogrammen aus dem All direkt ins heimische Wohnzimmer ermöglicht.

Neben Intelsat, Symphonie oder Eutelsat prangen nun auch die neuen „Himmelskörper“ Astra, Kopernikus oder der erst im zweiten Anlauf erfolgreich gestartete TV -Sat in einer Höhe von ca.36.000 km direkt über dem Äquator am Sternenhimmel. Darüber, daß dies ein grenzenloser Fortschritt sei, eine ungemeine Innovation, waren sich sowohl die erlauchten Medienexperten des Forums als auch die Programmanbieter, die Deutsche Bundespost und die Antennen und Gerätehersteller einig. Wer glaubte, auf der Funkausstellung die ersehnte Hilfestellung bei der Auswahl der Empfangsgeräte, die schließlich mehrere tausend Mark kosten, zu bekommen, wurde hoffnungslos enttäuscht. Auch die von Adalbert Rohloff, Geschäftsführer der PK-Berlin, auf der Eröffnungsveranstaltung des MedienForums versprochene Anleitung, wie man sich im zunehmenden Angebot von Information und Unterhaltung menschlich vernünftig zurechtfinden und bedienen kann, erwieß sich als hohle Sprechblase. Die Vertreter sowohl sämtlicher Satellitenprogrammveranstalter als auch der Betreiber konnten die ständig wiederkehrenden Schlagworte wie Wachstum, Übermaß, Zuwachs, Fortschritt und Innovation nicht mit Inhalten füllen. Was bieten die Satelliten?

Der TV-Sat 2 bietet Sat 1, RTL-PLUS, 3 Sat, 1 Plus und einen weiteren noch nicht festgelegten Kanal an. Die Post lockt damit, daß für diesen Empfang die kleinsten Satellitenschüsseln, die es auf dem Markt gibt, genügen. Ein weiteres Plus sei, so erkärte Herr Buley, daß der TV-Sat in der neuen Fernsehnorm D2-Mac sende. Stolz führte er mir die neuen Bildschirme vor, die ja schließlich schon die erste Zwischenstufe zum vielgepriesenen HDTV seien. Da ich auf dem Fernsehgerät keinen Unterschied zu der herkömmlichen Pal -Norm erkennen konnte, versuchte er mich mit der digitalen Tonübertragung zu überzeugen. Natürlich benötigt man für den Empfang von D2-Mac auch einen neuen Fernseher, ein sicheres Stück Zukunft, wie mir versichert wird. Weil die Post aber nicht nur mit der privaten Satellitenbetreibergesellschaft Astra, sondern auch mit sich selbst in Konkurrenz tritt, konnte mir Herr Buley aber auch genauso den Empfang des Kopernikus empfehlen. Der strahlt nicht nur die gleichen Programme ab wie der TV-Sat 2, sondern außerdem noch die Regionalprogramme der ARD, Pro 7, Tele 5 sowie 16 digitale Hörfunkprogramme. Für den Empfang dieser 12 Fernsehprogramme benötigt man aber eine größere Satellitenantenne, dafür erübrigt sich die Anschaffung eines neuen Fernsehgerätes, weil Kopernikus im altbewährten Pal sendet. „Aber am besten lassen Sie sich verkabeln“, riet mir Schwarz-Schillings Mann an der Front, „da kriegen sie rund 20 Programme, außerdem können wir auch bald über Kabel die neue D2-Mac-Norm übertragen.“ Gerätehersteller ratlos

Bei meinen Erkundigungen nach dem Preis des sicheren Stücks Zukunft mußte mir Herr Hagemann, Repräsentant einer der führenden Endgerätehersteller, gestehen, daß die D2-Mac -Geräte bisher noch gar nicht auf dem Markt sind. Bei diesem Geständnis wechselte seine Gesichtsfarbe in ein feines Rosa, was sich im Laufe unseres Gespräches in ein immer tieferes Rot steigerte, weil er nämlich zugeben mußte, daß er keinem Käufer zumuten könnte, jetzt in diese Hardware zu investieren, da sie bereits durch die Entwicklung des HDTV überholt sei, bevor sie auf den Markt komme. „Wir sind einfach von der politischen Entscheidung für D2-Mac überrollt worden“, mehr konnte er mir nicht sagen. Vollends ins Staunen versetzte mich dann die schadenfrohe Auskunft der Astra-Betreiber, daß diese Fernsehgeräte bestenfalls in einer Größenordnung von 800 Stück produziert würden. Somit sind die Programme des TV-Sat praktisch in der innovativen Form nicht empfangbar. Stolz priesen mir dann die Astra -Herren ihr leistungsfähiges System an, daß bisher 16 Pal -Kanäle zu bieten hat, auch nur eine kleine Schüssel benötigt und ab 1990 einen zweiten Satelliten in den „orbit“ schießt, so daß 32 Fernsehkanäle zur Verfügung stehen. Schon fast überzeugt von diesem System, fiel mir bei der Durchsicht der Kanäle auf, daß vier gar nicht belegt sind, 2 in D2-MAC senden, also nicht empfangbar sind, 9 fremdsprachige Programme senden und nur ein einziger Kanal in deutsch übrig bleibt: der Sportkanal.

Aber auch mein letzter Versuch, bei den Antennenherstellern, die zahlreich auf der IFA vertreten sind, eine Entscheidungshilfe zu bekommen, endete in einer Enttäuschung. „Wissen Sie, wir können Ihnen im Moment überhaupt nichts empfehlen. Bei diesem Durcheinander blickt niemand mehr durch“, war der Kommentar der Hirschmänner. Die hochgelobte Vielfalt via Satellit beschränkt sich vorläufig nur auf unterschiedliche Übertragungsmöglichkeiten und Fernsehnormen, von denen bisher niemand sagen kann, wann und ob sie überhaupt marktfähig werden. Ist schon der jetzige Übertragungsdschungel unüberschaubar, so kann die Frage, wer die Programme für die angestrebten jährlichen 340.000 Sendestunden produzieren soll, wohl nur das Orakel in Delphi beantworten. Der Megatrend Satellitenfernsehen erfordert immense Kosten, die kaum ein Programmanbieter aufbringen kann. Neben ARD und ZDF haben sich bisher nur die zwei privaten Sender, RTL-Plus und Sat 1 etablieren können. RTL -Plus kann den Verlust in Höhe von 40 Millionen Mark nur verschmerzen, weil Bertelsmann, einer der weltweit größten Konzerne, die nötige Rücklage bietet. Genauso gut ist auch Sat 1 durch die Beteiligung von Leo Kirch abgesichert. Für die kleinen oder unabhängigen Anbieter bleibt der Megatrend genauso unerreichbar am Sternenhimmel wie die versprochene Programmvielfalt für den Zuschauer.

Mali Fu