Wroclaw bleibt Breslau

■ Bundesdeutsche Paßbehörden bestehen auf der Eindeutschung polnischer Geburtsstädte

Der Innenminister höchstpersönlich hat die entsprechende Empfehlung 1976 herausgegeben, die Bundesländer setzen sie bis heute in die Praxis um, und ein Oberverwaltungsgericht hat sie für rechtens befunden. Daß sich niemand etwas dabei gedacht hat, das Ganze etwa nur eine dumme Behördenschikane ist, kann man also wirklich nicht behaupten: Bis heute werden in bundesdeutschen Ausweisen die Namen polnischer Geburtsorte eingedeutscht. Polen, die nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen, erfahren deshalb auf der Meldebehörde plötzlich, daß sie nicht im polnischen Bytom, sondern in Beuthen geboren wurden oder 1957 nicht in Zabrze, sondern in Hindenburg auf die Welt gekommen seien. „Verpflichtung zur deutschen Schreibweise“ nennen die Behörden diese Umbenennung und tragen - Anerkennung der polnischen Westgrenze hin oder her - die ehemaligen deutschen Städtenamen in die Pässe ein. „Grundsätzlich“, so bestätigte 1985 der Westberliner Innensenat auf eine kleine Anfrage der Alternativen Liste, „werden Geburtsorte, die im heutigen Polen liegen, in deutscher Schreibweise“ in Pässe und Personalausweise eingetragen. „Dabei kommt es im wesentlichen darauf an, ob die Geburtsorte zum Zeitpunkt der Geburt zum Gebiet des Deutschen Reiches gehört haben.“ Wer vor dem 8.Mai 1945, dem offiziellen Ende des Zweiten Weltkriegs, geboren ist, bekommt ausschließlich eine deutsche Ortsbezeichnung in den Paß geschrieben, wer danach in Polen auf die Welt kam, findet neben dem deutschen wenigstens auch noch den polnischen Namen seiner Heimatstadt. Auf die „deutsche Schreibweise“, so vermerkt die Behörde, solle nur bei solchen Ortsbezeichnungen verzichtet werden, die erst unter der Nazibesetzung neugebildet wurden. Umfragen in anderen Bundesländern ergaben, daß die Meldebehörden auch dort so verfahren. Auf ausdrücklichen Wunsch, so das einzige „Zugeständnis“, können die Betroffenen die polnische Bezeichnung in Klammern oder hinter einem Schrägstrich hinzufügen lassen.

Den Betroffenen nützt das allerdings wenig - wenn sie dann mit diesem deutschen Paß nach Polen reisen wollen. Denn die polnischen Behörden verlangen für die Einreise einen Ausweis mit ausschließlich polnischen Ortsbezeichnungen - ohne Klammern, ohne Querstrich. Für jede Reise in die alte Heimat müssen deshalb ehemalige polnische Staatsbürger mit „eindeutschbaren“ Geburtsstädten einen besonderen Ausweis beantragen, den sie nach Ende der Fahrt wieder abgeben müssen. Und auch folgendes vielleicht Ausdruck des deutsch -polnischen Verhältnisses 1989: Weil er sich weigerte, einen Paß zu unterschreiben, in dem aus seiner polnischen Heimatstadt plötzlich eine deutsche geworden war, wurde einem ehemaligen Polen „aus ordnungspolizeilichen Gründen“ ein Zwangsgeld angedroht.

Ve.