: IFA-Abgesang
Jetzt ist sie endlich vorbei, die größte Weltmesse der Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik, und während die Elektronikhersteller zufrieden ihre Geschäftsbücher zuklappen, dürfen die gestreßten Hostessen, Plastiktütenverteiler, Klofrauen und Kabelträger endlich ihre müden Füße hochlegen. Und natürlich war wieder alles ganz großartig: „Die IFA wurde ihrem Ruf als Weltmesse und Europas Orderplatz Nummer 1 voll gerecht... Erwartungen wurden durch Kauffreudigkeit vielfach übertroffen... Starkes Interesse... Weltweit positives Echo... Prädikat 'sehr erfolgreich'“, jubiliert die AMK und unterschlägt galant, daß zumindest von den Besucherzahlen her die IFA keinen Superlativ verzeichnen konnte. Mit „nur“ 400.000 Besuchern kamen in diesem Jahr rund 10.000 Leute weniger als 1987. Daran war nur das Wetter schuld, kontert die Messegesellschaft. Trotzdem soll der prognostizierte Gesamtumsatz durch Geschäftsabschlüsse von 18 Milliarden Mark um einige 100 Millionen übertroffen worden sein, gaben die ausstellenden Unternehmen an. „Das Geschäft lief glänzend!“ Welcher Gerätehersteller wollte auch etwas Gegenteiliges verlauten lassen, nachdem er ein bis zwei Millionen in einen schicken High-Tech-Messestand investiert hat. Immerhin gaben aber rund 14 Prozent der Unternehmen an, daß sie ein weniger gutes Geschäft als bei der letzten IFA erzielt hätten.
Jubeln tun auch die Fernsehsender. „Großer Anklang bei den Zuschauern... Einschaltquoten kletterten... Neue Sendeformen wurden erfolgreich erpropt“, darin sind sich Öffentlich -Rechtliche und Private einig. Man hat sich im besten Rampenlicht gezeigt und der Konkurrenz die Zähne gezeigt. (Komisch nur, daß dabei das Programm immer gleichförmiger aussieht.)
Bei soviel Lob kann sich auch der rot-grüne Berliner Bürgermeister Walter Momper einer überschwenglichen Erklärung nicht enthalten. Die überwältigende Resonanz auf die IFA in Berlin belege erneut die ungebrochene Ausstrahlungskraft dieser Medienmesse und die Attraktivität des Berliner Medienstandortes. Gleichwohl, so gibt der Regierende allgemeinplazierend zu bedenken, dürfe man nicht vergessen, daß es auf dem Kommunikationsmarkt nicht nur um „technische Ware“ gehe, sondern um auch um Medieninhalte. Hier sieht er eine Herausforderung für engagierten Jounalismus. Wie wahr - halten sich die Politiker doch in der Diskussion um Inhalte merklich zurück.
Die Berliner Kultursenatorin Anke Martiny mußte auf einer Podiumsdiskussion über rot-grüne Medienpolitik eingestehen, daß der Senat zwar guten Willens sei, eine zunehmende Kommerzialisierung des Rundfunks zu verhindern, daß konkrete Schritte in diese Richtung nur schleppend unternommen werden. Die geplante Medienabteilung im neuen Senat, wie sie im rot-grünen Koalitionspapier vorgesehen war, sei zwar in Planung, doch könnte aufgrund der Sparmaßnahmen im Haushalt auch im nächsten Jahr noch nicht mit einer solchen Einrichtung gerechnet werden. Auch die gemeinsame Arbeitsgemeinschaft zur Erarbeitung eines neuen Landesmediengesetzes existiert bis heute nicht.
Gab es nun neben all den Zufriedenen auf der IFA gar keine Enttäuschungen? Doch, zumindest die Mitarbeiter des Offenen Kanals hatten allen Grund zur Klage. Sie, die abseits vom großen Fernsehrummel täglich ein buntes Live-Programm produzierten, wurden von ihren Standnachbarn - der Berliner Polizei und der Klassenlotterie - sofort mit Abmahnungen bombadiert, weil ihre Sendungen störend seien. Das bezog sich zwar verbal nur auf die Dezibelzahlen, doch wahrscheinlich haben hier die vielgepriesenen Inhalte wohl auch nicht so richtig auf die IFA gepaßt. Die Bürgerfernseh -Macher nahmen's gelassen und bewiesen dabei noch die Flexibilität, die den großen Sendern längst abhanden gekommen ist. Man produzierte fortan von draußen am Lieferanteneingang der Messehalle mit sensationeller Umbauzeit von nur drei Minuten. Bravo - ihr seit die ungekrönten Helden der IFA 1989.
utho
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen