: Die Anderen: Le Monde/Liberation
Le Monde
Angesichts der Massenflucht der DDR-Bürger erscheine die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten immer weniger als eine politische Utopie:
„Lange Zeit galt es vor allem in Frankreich als selbstverständlich, daß das Problem der deutschen Wiedervereinigung in den Bereich der politischen Fiktion gehört. Doch auch mit den schönsten Gewißheiten ist eines Tages Schluß. Das gilt auch für die deutsche Teilung, die die Sowjetunion weit über das Jahr 2000 hinaus garantieren und notfalls mit Gewalt erhalten wollte.
Man kann sich kaum vorstellen, daß der Wind der Reformen und die Unruhe, die sich in den meisten sozialistischen Ländern breitmachen, auf ewige Zeiten Ostdeutschland ungeschoren lassen werden, diesen Vorposten des Warschauer Paktes, der keine andere Daseinberechtigung hat als seine blinde Treue zum orthodoxen Marxismus, der woanders überall in Frage gestellt wird. Währenddessen zeichnet sich bei Umfragen in Westdeutschland eine zunehmende Befürwortung der Wiedervereinigung ab.
Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, daß ein für seine Offenheit bekannter Mann wie der neue Bonner US -Botschafter General Vernon Walters erklärte, er glaube an eine baldige Wiedervereinigung. Sein Vorstoß hat bisher noch keine Reaktion im Kreml hervorgerufen, wo die aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegange Aufteilung Europas, bisher immer als unantastbar gegolten hat.“
Liberation
Die linksunabhängige französische Zeitung geht auf die Rolle Ungarns in der Flüchtlingsfrage ein:
„Das subtile Spiel zu Dritt zwischen der Bundesrepublik, der DDR und Ungarn wird sicher nicht ohne Auswirkungen bleiben. Budapest hat sich in dieser Angelegenheit für die Öffnung zum Westen hin entschieden.
Dahinter steht zweifellos die Hoffnung, zur Stunde der Wirtschaftsreformen in klingender Münze entlohnt zu werden. Schließlich ist die Bundesrepublik Deutschland der wichtigste westliche Handelspartner der sozialistischen Länder. Nach seiner gestrigen Dankadresse wird Bundeskanzler Kohl sich für die Hilfe Ungarns in dieser Angelegenheit sicherlich erkenntlich zeigen.“
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