piwik no script img

Es lebe die doppelte Moral!

Zur Lummer-Affäre  ■ G A S T K O M M E N T A R

Dank dem CDU-Rechtsaußen und früheren Westberliner Polizeisenator Heinrich Lummer! Nach dem Memminger Richter, der im Abtreibungsprozeß Theissen abtreten mußte, weil er selbst eine Freundin zur Abtreibung genötigt hatte, kann uns die neuerliche Affäre um den jetzigen CDU -Bundestagsabgeordneten Lummer („Kein Dummer!“) noch gründlicher aufklären über den Zustand der West-Republik und ihres Berliner Anhängsels. Endlich fällt Licht auf die Hintergründe, die vielleicht selbst einen Strauß bewogen hatten, der DDR Milliarden-Kredite nachzuwerfen. Es kann ja nicht allein dafür bezahlt worden sein, daß die DDR-Führung dafür sorgt, möglichst nicht so viele „Zonis“ in den Westen kommen zu lassen. Jeder kann jetzt begreifen, daß ehrliche Geradeaus-Moral einfach nur für die Dummen ist. In das Privatleben lassen sich nur Emma-Kunden, marienfromme Katholiken und Rushdie-Feinde hineinreden.

Aber was ist eigentlich passiert? Wer hat wen beim Vögeln fotografiert? Wer hat über wen welche Akten geführt? Wer hat wem welche „Informationen“ zugespielt, rechtzeitig nach Verjährung, versteht sich? Wer schreit sonst immer „Datenschutz“ und kann sich plötzlich nicht erklären, wie amtliche „Informationen“ in die Presse kommen? Wer pocht sonst immer auf den Schutz der Intimsphäre und muß vordringlich erst einmal den politischen Gegner moralisch disqualifizieren? Will etwa der sogenannte Verfassungsschutz in West-Berlin - unter gewandelten politischen Bedingungen seine Berechtigung, Macht, Funktion beweisen?

Natürlich kann man Anne Klein wegen eines Piloten-Spiels nicht stürzen, die Springer-Presse in Berlin jedenfalls nicht. Aber einer abgehalfterten Rechtsaußen-„Dinosau“ mit Staatsschutz- und Agentengeschichten nachtreten, das wird doch wohl möglich sein - wenn 'Spiegel‘ und 'Stern‘ dafür verantwortlich zeichnen. 1967 hatten diese Zeitschriften noch für die Anti-Springer-Kampagne gespendet.

KD Wolff

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen