: China - 100 Tage danach...
■ Mangelndes Engagement der bundesdeutschen Solidaritätsbewegung nach dem Massaker von Peking
Bonn (taz) - Wie viele Tausende wären auf die Straße gegangen, wenn „das Massaker vor dem Weißen Haus in Washington“ gewesen wäre. Mit dieser Frage kritisierte Petra Kelly (MdB der Grünen) gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz von amnesty international, der chinesisch -deutschen Freundschaftsgesellschaft, des Verbandes chinesischer Studenten und Wissenschaftler sowie Karsten Voigt (MdB/SPD) das mangelnde Engagement der bundesdeutschen Solidaritätsbewegung nach dem Massaker in China.
Aus Anlaß des 100.Tages seit dem blutigen Juni in China zog Karsten Voigt Parallelen für die DDR. Daß die DDR das Massaker gerechtfertigt hat, wertet Voigt als Warnsignal an die eigene Bevölkerung. Wenn die DDR-Führung nicht bald einen schrittweisen Prozeß der Demokratisierung einleitet, kann das Zögern zur wichtigsten Ursache für eine „künftige Instabilität in der DDR“ werden, ergänzte Voigt. Er nannte die momentane Ruhe in China eine Scheinstabilität.
Von Massenhinrichtungen am 11.August, wo 28 junge Männer hingerichtet und mindestens 4.000 verhaftet wurden, berichtete amnesty international. Über eine Million sogenannter Sicherheitskomitees setzten eine „lange Tradition der Denunziation“ seit den fünfziger Jahren fort. Schon kleine Ordnungswidrigkeiten endeten häufig mit vier Jahren Umerziehung durch Arbeit. Ping Sai vom chinesischen Studentenverband in der BRD äußerte sich besorgt darüber, ob die bundesdeutschen Behörden zahlreiche, zum Jahresende ablaufende Aufenthaltsbewilligungen seiner Landsleute „großzügig“ handhaben werden. Viele würden bei einer Rückkehrnach China beruflichen Benachteiligungen ausgesetzt sein, wenn sie sich nicht zur Partei bekennen. Diese „Horrorvision vom Ausverkauf unserer Seelen“ verlange ihren Schutz, bis sich die Lage verändert hat. Aktive Oppositionelle seien zudem von Inhaftierungen bedroht, sollte ihre Aufenthaltsbewilligung nicht verlängert werden.
Stefan Härtig
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