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Kunstlicht: Heraus zum Kunstherbst!

■ Neu in der Rembertigalerie, bei Steinbrecher, Lysistrata und Atelierhof

Heraus zum Kunstherbst!

Neu in der Rembertigalerie, bei Steinbrecher, Lysistrata und Atelierhof

Raunen in der Remberti-Galerie: Die Preise für Künstlergruppenkünstler im Gefolge von „Cobra“ ziehen aktuell heftig an. WIR, SPUR, GEFLECHT, diesen Gruppen gehörte Florian Köhler an, und also darf man schon mal zehn Riesen hinblättern, will man eines seiner kunterbunten „Taucherbilder“ oder „Radfahrerbilder“ erstehen. Die Bilder, die zunächst unstrukturiert und expressiv daherkommen, gewinnen beim längeren Hinsehen an Form; Köhler tastet sich mühsam und kontrolliert immer näher an seine Figuren heran, ohne sie erreichen zu wollen. „Ich biete dem Betrachter Chiffren an, die er in seinem Kopf rückübersetzen kann in eigene Bilder“, sagt Köhler. Ihn faszinieren als Objekte in Gruppen auftretende Jugendliche wie die „nomadisierenden“ Radfahrer, die ihn an eigene wilde Zeiten etwa in der Künstlergruppe WIR (1959-66) erinnern. Damals hieß es manifestös: „Wir stellen die Echtheit des Gefühls gegen die klägliche Originalitätssucht der sog. Avantgarde. Wir verzichten auf diesen Titel und das damit verbundene Prädikat NEU.“ (Fedelhören 36, bis zum 7.10.)„Künstlerische Produktion“: das Wort allein treibt Leichenblässe in manches Künstlergesicht. Ein Begriff der igitt - Ökonomie! Und dann folgen die Nebeltöpfe der „ecriture automatique“, des Unbewußten, das den Pinsel lenkt, autonomer und nicht zu befragender Tiefenschichten.Gisela Genthner, 1945 in Peking geboren, gelernte Textildesignerin mit Karibikstipendium in der Domonikanischen Republik und heute freischaffend in Berlin: auch sie spricht lieber über sich als über ihre Bilder. Lassen wir die Bilder sprechen, so sprechen ruhig und satt großflächige Farbkonstrukte aus dem Zirkelkasten der Geometrie zu uns, allesamt Zeichen mit heftiger, ungenauer Bedeutung. Ganz streng und übergroß im ersten Stock der Galerie Steinbrecher neue Arbeiten von Frau Genthner: nur noch schwarzweiß, bleiches Gerüst mit Schubladen voller Chiffren und skriptoraler Elemente. Besucher A: „Rorschach -Test“. Besucher B: „Entwurf für Kirchenfenster“. Die seriellen Arbeiten gegenüber sind anspruchsvoller als ihre ansprechenden Farbimplosionen. Aber auch tückischer, gefährdeter; aus unkontrollierten Zuckungen auf Schwarz werden Buchstaben, die dann vielleicht doch zu viel Signifikanz beanspruchen. (Dobben 44, bis zum 7. 10.)

Wenn man aus Leer kommt, ist man „Leeranerin“, wenn man dazu noch Künstlerin ist, ist Bremen schon ein richtig heißes Pflaster. Hildegard E. Bruckdorfer zeigt ihre großen Aquarelle gleichzeitig in der Galerie Lysistrata und im Rotkäppchen. Die Bilder, durch keine Titel vermittelt, weisen nicht über sich d.h. über bis zu sieben Meter lange Wischungen in Rotblauindigo hinaus, sind Farbrausch mit Arbeitsspuren, viel große Bewegung, viel großes Gefühl. „Plötzlich begriff ich Blatt und Farbe nicht mehr als Grundlage des künstlerischen Schaffens, sondern als Objekt“, sagt Frau Bruckdorfer über ihre Entdeckung des ganz großen Formats. Das Bild: ernstzunehmendes Gegenüber, Körper gegen Körper. (Contrescarpe 8, bis zum 1. Oktober)

Die hängen hier richtig, die fühlen sich wohl hier, die Bilder von Andreas Henzel auf dem Atelierhof, wo es immer noch etwas nach Waschpulver müffelt. Drastische, rubbelige, widerborstige Kleb-und Spachtelbilder des Braunschweiger Autodidakten und Bremer Uni-Kunstpädagogen. Titel wie „Blasser Schimmer“, und „Zweiter Aufguß“ stiften mehr Verwirrung als Erleuchtung, geht es doch ganz filigran um die Ästhetik des Zerfalls. Wüste „Landschaften“ und große Gefühle, vielfach gebrochen. Hinter Glas gesperrt, wirken Henzels Bilder gleich gezähmt, bereitet für den Augenschmaus in der Arztpraxis. Ob es das reliefartige der aus der Bildebene herausstülpenden Ölpapierblätter ist, das Häutige, was einen so vital anspringt? (Alexanderstr.9B, bis zum 17.9.)

Bus U-Satz:!!!!

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