: Die Welt als billige Vorstellung
■ „Die Palm Beach Story“ von Preston Sturges zu spät im deutschen Kino
Liebe macht blöd und ist deshalb ein Schlager. Ein Hit, weltweit beliebt bei jung und alt. Ein Narkotikum, wirksamer noch als seriöse Zeitungen. Etwas, das in keinem Haushalt fehlen sollte. Schnitt.
Die männliche Sorte Mensch zerfällt in zwei Teile: Größenwahn und Selbstmitleid. Einige untergeordnete Erscheinungsformen sind: der Döskopp, der nützliche Idiot, der Kerl fürs Grobe, der romantische Schwärmer, der Tüftler und Bastler, der verschrobene Sonderling, der haltlose Streuner usw. Frauen dagegen sind... - stark und schön, klar, egalweg alle, aber: Wie sind sie wirklich? Man weiß es nicht, auf alle Fälle ganz anders. Schnitt.
1942 hat Preston Sturges eine Komödie gedreht: Die Palm Beach Story. Frau Jeffers (Claudette Colbert) möchte Herrn Jeffers (Joel McCrea) verlassen. Die Ehe nichts als Schulden und Gewohnheit, Besserung nicht in Sicht, Pastor Erich Fromm zu lesen hat sie sich auch erspart, warum also sollte sie bleiben? Wenn ich jetzt nicht gehe, schaffe ich es nie. Im Klartext: Wenn ich noch länger warte, hat mein größtes Kapital, mein ansprechendes Äußeres, trotz diverser Sonderausführungen nur noch Secondhand-Wert. Schnitt.
Herr Jeffers will das mit dem Weggehen nicht einsehen. Er weiß nicht mehr weiter, also spricht er von Liebe. Nur notdürftig bekleidet, aber randvoll Mannestum, hüchelt er seiner Frau hinterher, die nach einigen Aufregungen und Abenteuern - turbulent ist die branchenübliche Phrase dafür - tatsächlich einen Herrn Hackensacker III. (Rudy Vallee) kennenlernt. Der ist natürlich Multimillionär vom Typ süßer Tolpatsch, kurzsichtig und yachtbesitzend -kapitänsmützentragend, und von Frau Jeffers hingerissen. (Hier hat sich Billy Wilder 17 Jahre später für Some like it hot kräftig bedient.) Schnitt.
Der Verehrer von Frau Jeffers hat eine Schwester (Mary Astor), die wiederum Herrn Jeffers begehrt. Der ist ohne einen Penny in der Tasche seiner Frau nachgereist, die aber ist bei Herrn Hackensacker III. bereits so gut wie unter Dach und Fach. Weshalb der hartnäckige Gatte als Bruder eingeführt wird, was zu Verwechslungen führt, die zu Verwirrungen führen, die wiederum zu... - achissesnett. Schnitt.
Es gibt hübsche Sätze in diesem Film, eine der Tragödien dieser Welt ist, daß alle Männer, die eine kräftige Abreibung verdient hätten, sehr groß sind, das Tempo ist flott, der Grundton stichelnd, aber die wichtige und hochinteressante Frage, ob sie sich denn kriegen, zieht nicht jeden in ihren Bann: „Claudette Colbert sieht aus wie ein Cockerspaniel“, zischt Frau Zucker nach knapper Stundenfrist unmutsvoll vom Nebensitz. Ja, da ist was dran: dieses schelmische Fell, diese seidigen Fesseln, diese schlanken Augen. Schnitt.
Die Fassaden bröckeln, die Neurosen wuchern, das Happy-End ist ein Fake, die Figuren werden vorgeführt und entblößt, Ideale beiseitegefegt, man sieht Männer zwischen Hängen und Würgen, überlegene Frauen, alles nach Wunsch, und mir trotzdem völlig egal. Schnitt.
Der Überdruß entspringt nicht Preston Sturges‘ Film an sich. Er entspringt dem Thema und den Filmen, die es einem verekelt haben; der Lawine angeblicher Komödien; dem belanglosen Frauen-Männer-Sirup, der seit ein paar Jahren aus den Leinwänden suppt; den anbiedernden Dünnbrettbohrereien wie Männer, Robby Kalle Paul oder Tiger, Löwe, Panther, und der haltlosen Begeisterung, den dieser Weichkäse erntet. Als ob es nichts anderes gäbe als den privaten Kram, als das Ich und meine Welt, als die blasierte Koketterie zwischen Schnatzen und Lackaffen; als ob es um Tändelei ginge und nicht um die Frage, wer wen in den Sack steckt. Schnitt.
Wiglaf Droste
Preston Sturges: Die Palm Beach Story, mit Claudette Colbert, Joel McCrea, Sig Arno, USA 1942, 90 Min., in Westdeutschland seit 3.8., in West-Berlin ab 14.9. im Kino
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