piwik no script img

Eine schlagkräftige Organisation?

■ Interview mit Hans Hege, Direktor der Berliner Anstalt für Kabelkommunikation, zu Kontrollfragen, SAT 1, Pro 7 und Leo Kirchs Einfluß / Landesmedienanstalt hat keine Fürsorgepflicht

taz: Herr Hege, der Fall „Pro 7“ hat für einigen Wirbel in der Vergangenheit gesorgt, vor allem aber auch die Frage aufgeworfen, ob die Aufsichtsgremien, die Landesmedienanstalten, genügend Kompetenzen haben, um solche Wirrnisse tatsächlich aufzuschlüsseln und Aufklärung zu bringen.

Hege: Die Frage ist nach wie vor nicht beantwortet. Wir drängen von Berliner Seite her schon lange darauf, daß die Landesmedienanstalten hier zu einer gemeinsamen Antwort kommen, und zwar in zwei Fragen: einmal den Veränderungen bei dem Veranstalter EUREKA, jetzt PRO 7 einerseits, aber zum andern auch wegen Verbindungen, die es möglicherweise gibt durch die gemeinsame Programmzulieferung in der Kirch -Gruppe mit SAT 1. Wir haben einen ähnlichen Fall, der auch noch nicht voll geklärt ist. Das betrifft das Engagement der CLT, also Radio Luxemburg bei TELE 5. In beiden Fällen geht es um die Anwendung der Antikonzentrationsvorschriften des Rundfunkstaatsvertrages. Danach darf niemand auf zwei Programme bestimmten Einfluß ausüben. In beiden Fällen sehen wir einen Überprüfungsbedarf, der noch nicht erfüllt ist.

Die Landesmedienanstalt in Schleswig-Holstein hat gesagt, sie habe den Vorgang PRO 7 überprüft. Glauben Sie, daß die Kompetenzen der Anstalten ausreichend sind, um gegenüber großen Kapitalgruppen tatsächlich durchgreifen zu können?

Hier gibt es noch keine einheitliche Auffassung. Wir in Berlin sind sicher etwas weitergehend in der Interpretation unserer Rechte als die schleswig-holsteinische Anstalt. Wir werden das gemeinsam diskutieren, fragen, was ist auf der Grundlage des geltenden Rechts möglich, und dann natürlich auch die Frage anschließen, wo hat es Lücken, wo muß vielleicht noch vom Gesetzgeber nachgebessert werden, damit Fehlentwicklungen wirksam begegnet werden können. Und das Verfassungsgericht hat ja immer gefordert, Fehlentwicklungen schon in den Anfängen entgegenzuwirken. Wenn Konzentration einmal da ist, ist es meistens zu spät.

Wo sehen Sie selber Lücken?

Ich sehe ein Strukturproblem schon darin, daß die Anstalt eines einzelnen Bundeslandes einen Veranstalter kontrolliert, der national, wenn nicht international sendet. Wenn ich mir auf der anderen Seite vorstelle, so ebenfalls komplizierte Sachverhalte, wie sie jetzt im Falle Daimler -Benz/MBB vorliegen, würden von der Landeskartellbehörde in Baden-Württemberg geprüft, dann sehen Sie das Problem. Die Landesmedienanstalten bewegen sich immerhin auch zu einer starken Koordination hin, aber beim Ziel sind wir noch nicht angelangt.

Heißt das nach Art des Bundeskartellamtes eine Bundesmedienaufsichtsbehörde?

Wir brauchen eine schlagkräftige Organisation, die diesen Veranstaltern gewachsen ist, im übrigen auch als rationale Gesprächspartner für sie dient, die auch die Anforderungen weiterentwickelt, denn die Reichweiten unserer privaten Veranstalter, derjenigen jedenfalls, die über die Luft senden können, RTL Plus und SAT 1, steigen ja beträchtlich. Dieses muß auch Auswirkungen auf die medienrechtlichen Verpflichtungen haben, und hier haben wir sicher noch nicht die Struktur, die dieses am besten erfüllen kann. Aber es sind auch schwierige Probleme der Rundfunkaufsicht. Man kann die Modelle aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk hier nicht übertragen, denn es geht um ganz andere Aufgaben. Staats- und Parteieinfluß, das ist im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eigentlich die wichtigste Aufgabe, diesen außen vorzuhalten durch Rundfunkräte. Ob es gelingt, ist eine ganz andere Frage. Im privaten Rundfunk geht es nach der Anfangsphase darum, daß Konzentrationsbewegungen verhindert werden.

Hätte Berlin nicht auch so mal als Korrektiv zu Schleswig -Holstein sagen können: Nein, hier ist maßgeblicher Einfluß von einer Seite, von seiten der Kirch-Gruppe gegeben, wir können das nicht genehmigen?

Im Fall PRO 7 liegt das Problem darin, daß PRO 7 als solches für uns nicht problematisch ist, wenn die Sachverhalte offengelegt sind. Wir haben genügend Kabelkapazität, um auch PRO 7 übertragen zu können. Wir haben es deswegen zugelassen, weil die Verhältnisse für uns klar genug waren. Das Problem, das wir nicht alleine lösen können, ist der Einfluß der Kirch-Gruppe auf PRO 7 einerseits, auf SAT 1 andererseits. Das betrifft ja nicht nur PRO 7. Wenn PRO 7 alleine wäre, wäre das Problem nicht da. Und es geht auch nicht nur um die Veränderungen bei PRO 7, sondern auch im übrigen nicht über die öffentlich so sehr diskutierten Gesellschaftsanteile bei PRO 7. Das eigentliche Problem steckt für uns woanders, nämlich darin, daß offensichtlich sowohl bei PRO 7 als auch bei SAT 1 eine doch sehr starke Stellung der Kirch-Gruppe als Programmlieferant festzustellen ist, und der Rundfunkstaatsvertrag auch den Einfluß auf die Programmgestaltung als mögliche Form des Einflusses ansieht, so daß für uns nicht das Problem ist, ob Vater Kirch und Sohn Kirch hier in dem Falle PRO 7 zusammenzurechnen sind. Das ist auch schwer aufzuklären, aber leicht aufzuklären müßten die Programmbeziehungen sein. Kann nicht die Kirch-Gruppe durch die Abhängigkeit beider, SAT 1 und PRO 7, von ihren Programmlieferungen auf beide maßgeblich Einfluß nehmen, so daß hier die Konzentrationsvorschriften des Rundfunkstaatsvertrages eingreifen müßten?

In Schleswig-Holstein in der Landesmedienanstalt ist davon die Rede, daß man gegenüber den privaten Anbietern eine fürsorgliche Rolle zu übernehmen habe. Was halten Sie davon?

Also, es gibt dies ja nicht nur in Schleswig-Holstein, und Formulierungen sind vielleicht manchmal etwas mißverständlich; wir glauben jedenfalls für unsere Berliner Aufgabe als Landesmedienanstalt, wir haben keine Fürsorgepflicht. Die privaten Veranstalter sind, glaube ich, Manns genug, für sich selber zu sorgen. Wir haben Kontrollaufgaben im übrigen auch nicht parteiisch für den privaten Rundfunk auszuüben, wir haben uns immer auch als neutrale Instanz verstanden und sind auch so akzeptiert worden. Das ist, glaube ich, nicht in allen Bundesländern bisher hinreichend klar erkannt, daß die Existenzberechtigung der Landesmedienanstalten damit zusammenhängt, daß sie ihre Kontrollaufgaben im Namen der Öffentlichkeit vernünftig wahrnehmen. Das Interview führt

Benedict M. Mülde

(Auszüge aus der NDR-4-Sendung „Medienreport“ vom 10.9.89)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen