: Ein Schweif am Bremer Horizont
■ Mit „German Classics“ neue Image-Aera verucht / Vier Tage Pferdereitsport vom Feinsten
Bitte hier das Foto mit Fanfare und Reitersbein
So wahr er Ion Tiriac heißt, so gewiß sind die vollmundigen Ankündigungen seiner Veranstaltungen. Nun ist er angetreten, Bremen zu erobern. Wider Willen zwar, doch mit Verve und dem großen Wurf, dem der sportliche Imperator seine respektheischenden Triumphzüge zu verdanken hat. Mit den 'German Classics‘, die am Donnerstag in der Stadthalle beginnen, haben Ion Tiriac und Paul Schockemöhle dem Pferdesport eine Zukunftsdimension a la Tennis und Golf eröffnet. Noch nie zuvor gab es ein so hoch dotiertes Springturnier in Europa. Allein im Einzelwettbewerb am Sonntag sind 425.000 Mark zu gewinnen, selbst auf den letzten des Starterfeldes wartet noch ein Antrittsgeld von 5.000 Mark. So nimmt es nicht wunder, daß kein(e) Reiter(in) sich den persönlichen Einladungen Schockemöhles widersetzen wollte. Das Aufgebot an Stars aus aller Pferde Länder übertrifft gar die Besetzung des Olympischen
Reitturniers zu Seoul, ist laut Schockemöhle „die bestbesetzte Hallenveranstaltung, die es jemals auf der Welt gegeben hat“.
Verzeihlich also die Extravaganzen, mit denen die Organisatoren aufwarten. „Tradition heißt, an der Spitze des Fortschritts zu marschieren“, teilen sie in aller Euphorie mit. Wer den Fortschritt will, muß Tiriac engagieren. Denn nur aus seinem Munde klingt die Zukunft so nahe: „In Amerika ist man damit schon über 100 Lichtjahre weiter.“
Bremens Chance also, den Anschluß nicht zu verpassen. Sich auf den Weg zu machen, den Lothar Späth und Manfred Rommel in enger Kooperation mit Daimler-Benz und eben Ion Tiriac längst vorgezeichnet haben: den Sport als willkommenes Instrument kommunaler Wirtschaftsförderung zu vereinnahmen. Wie sagte Stadthallen-Geschäftsführer Heinz Seesing: „Wir sind nicht Frankfurt, wir sind nicht München, wir sind Bremen - und dieser Herausforderung müssen wir uns stellen.“
Das Entree in den kleinen Kreis der exklusiven „Sporthauptstädte“ verlangt seinen Tribut. Und den zahlen in erster Linie die Besucher. Dauerkarten für die vier Tage kosten bis zu 400 Mark, die teuersten Tageskarten 100 Mark. Im Jargon der Veranstalter liest sich das so: „Ion Tiriac, der 'Magier‘ in der Vermarktung des Tennis, wird seine Erfolgsrezepte auch auf den Pferdesport übertragen. Seine Ideen lassen Außergewöhnliches erwarten.“ Wohl wahr.
Das an sportlichen Qualitäten wahrlich nicht arme Turnier wird seinen Höhepunkt in einem „bewegenden“ Abschied finden. Deister tritt ab, jenes Pferd, das im letzten Jahrzehnt auf den internationalen Reitparcours zur Legende gesprungen ist. Für den Besitzer und Reiter Paul Schockemöhle Grund genug, seinem „Kameraden“ Deister eine gebührende Gala zu bereiten. Mit Spots und Spalier und einem riesigen Präsentkorb voller Delikatessen. Äpfel, Möhren und was es der Leibgerichte noch alles gibt.
Andreas Hoetzel
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