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West-Berlin will in die DDR expandieren

■ Senat prüft Pacht von DDR-Flächen für Wohnungsbau / Bevölkerung wuchs 1988 um knapp 50.000 Menschen

Berlin (ap) - Die Bevölkerung von West-Berlin ist im vergangenen Jahr so stark angewachsen, daß der rot-grüne Senat Verhandlungen mit der DDR über Freiflächen für den Wohnungsbau jenseits der Mauer erwägt. Der Regierende Bürgermeister Walter Momper sagte am Dienstag vor Journalisten, allein im Jahre 1988 seien knapp 50.000 Menschen, darunter etwa die Hälfte Aus- und Übersiedler aus dem Osten (bzw. von Berlin aus betrachtet auch aus dem Westen), zusätzlich in den Westteil der Stadt gezogen. Der bisher bis 1993 geplante Neubau von rund 28.000 Wohnungen reiche nicht mehr aus.

Angesichts des weiter erwarteten Zustroms von Bürgern aus der benachbarten Deutschen Demokratischen Republik, die derzeit über Ungarn in den Westen gelangen, sagte der sozialdemokratische Politiker: „Jetzt ist Bauen, Bauen und nochmals Bauen statt Palavern gefragt.“ Momper lehnte es zugleich ab, den Zustrom der Zuwanderer zu stoppen. Die Stadt Berlin sei gemessen an der Altersstruktur ihrer Bewohner die inzwischen jüngste Stadt der Bundesrepublik Deutschland geworden, betonte er. Die weitere Verjüngung sei eine Chance für Berlin, die genutzt werden müsse. In den vergangenen vier Jahren zogen nach Angaben des rot-grünen Senats knapp 100.000 Menschen an die Spree. Ob die Neu -Bürger aus der DDR bevorzugt in von der DDR gemieteten Wohnraum einziehen dürften, war gestern nicht zu ermitteln.

Als Konsequenz aus der Übervölkerung der Stadt wurden nach Angaben von Walter Momper die Senatsverwaltungen damit beauftragt, den Bau zusätzlicher Wohnungen auf die finanziellen, ökologischen und planerischen Auswirkungen hin abzuklopfen. Außerdem sollten die drei westalliierten Schutzmächte Großbritannien, Frankreich und die Vereinigten Staaten von Amerika gebeten werden, eigene, bisher auf Vorrat gehaltene Flächen für den Wohnungsbau freizugeben, um die katastrophale Wohnungsnot abbauen zu helfen.

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