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Was Computer intelligent macht

■ Diskussion über „Künstliche Intelligenz“ im Rahmen der Tage der Computer-Kultur

Computer-Kultur - kann das sein? In der Fragestellung, die im Rahmen der Bremer Tage der Computer-Kultur am Dienstagabend diskitiert wurde, liegt eine Provokation des menschlichen Selbstwertgefühls durch Technik.

An den Wänden des Kassenraums der Bremer Landesbank hängen Computerbilder. Billige, bunt gemalte Formen. Da ist keine Gefahr für die menschliche „Kreativität“, da droht keine Konkurrenz. Aber solcher „elektronischer Kitsch“ hat eigentlich mit „Computer-Kultur“ nichts zu tun, sagt der Bremer Hochschul-Professor Jost Funke. Denn es ist im Grunde eine Fotoausstellung, was da hängt. Prof. Herbert Franke, auch ein engagierter Verfechter der Computer-Kunst, erklärt den Unterschied: Erst bei den bewegten Bildern fängt eigentlich die Computer-Kunst an. Die BetrachterIn kann mit dem Kunstwerk in Interaktion treten, sieht am Bildschirm normalerweise nur einen Ausschnitt, kann in prinzipiell unendlichen Bildern dreidimensional herumfahren, Objekte von hinten betrachten - wie die Fotografie bieten die Computer sich als Instrument für eine ganz eigene Gattung von Kunst an. Die von Krupp-Atlas gefertigten Simulatoren, in die FlugschülerInnen einsteigen und die Steuerung eines Flugzeuges üben, indem sie sich in einer - programmierten Welt bewegen, kommen der Computer-Kunst sehr viel näher als die „gehängten Bilder“. Zur Computer-Kunst gehört als Form der Darstellung der Bildschirm.

Intelligent sind die Rechner nicht, sie sind Instrument. „Vehikel“, sagt der Krupp-Atlas-Vertreter Hattermann. „Heutzutage brauchen wir keine Angst vor der Maschine zu haben“, genauso wie wir heute keine Angst haben, wenn ein Ungetüm auf uns zukommt, das „Auto“ zu nennen

wir uns angewöhnt haben.

Der Vertreter von MBB auf dem Posium, Alfons Seibl, hält auch nichts von dem „Traum“ der künstlichen Intelligenz der Rechner. Allenfalls könne man der Genese von Kunst auf die Spur kommen, sie simulieren. Nüchtern, wie man das von einem Ingenieur erwartet, erkärte er den Unterschied zwischen menschlichem Gehirn, wo die Philosophie die Kreativität ansiedelt, und den Superrechnern: Informationstheoretisch ist ein Mensch, d.h. ein Hirn, in der Lage, 10.000.000.000.000.000. (in Worten: zehn hoch fünfzehn) Operationen pro Sekunde auszuführen. Ungefähr. Die größten Super-Rechner sind derzeit bei zehn hoch zehn. Also dauert es noch Jahre, bis die Rechner das Gehirns erreicht haben. Und dann wäre die „Programmierung“ des Gehirn noch nachzumachen. Seibl: „Die Frage der Kreativität stellt sich erst dann.“

Deshalb spreche man hierzulande lieber von „wissensbasierten Systemen“ als von künstlicher Intelligenz, erklärt der MBB-Mann. Und dazu gehöre auch, wenn autonome Automaten entwickelt werden, also etwa in der Raumfahrt Flugkörper, die auch außerhalb des Einflußbereiches des Sonnensystems funktionieren und in unvorhersehbaren Situationen unter mehreren Optionen wählen lernen. Und komplizierte Systeme müssen auch Fehler machen dürfen, meinte Seibl. Eben wie Menschen. Über Kontrollfragen kann sich der Rechner selbst korrigieren. Aber das ist alles keine künstliche Intelligenz, stimmte in der Podiums-Runde

der KAE-Vertreter Hattermann zu. Zehn Jahre lang sei nach der Maschine mit künstlicher Intelligenz geforscht worden vergeblich.

Am Rande auf dem Podium saß der Hamburger Computer-Fachmann Thomas Derlien, der einige Jahre IBM hinter sich hat. In mehrern Anläufen versuchte der, an der Diskussion teilzunehmen. Im Saal wurde er verstanden, mehrfacher Beifall dokumentierte das. Aber auf dem Podium ging niemand auf ihn ein. Die „Gemächlichkeit“ sei eine wichtige Bedingung der kulturellen Entwicklung gewesen, behauptet Derlien. Aber in der Technikentwicklung werde auf Beschleunigung gesetzt. Werden damit nicht die nachdenklichen Kräfte der Gesellschaft an den Rand gedrängt? „Künstliche Intelligenz“ bedeute nicht, daß die Computer intelligent werden. Künstliche Intelligenz sei die „kapitalintensive Aufforderung“ an die Menschen, ihre Ansprüche zu reduzieren, ihre ganzheitlichen Fähigkeiten zurückzunehmen, bis sie durch eine Universalmaschine nachgeäfft werden können. Das Ergebnis wäre dann als „Höchstleistung“ der Maschine zu bewundern.

Auf dem Podium im Kassensaal der Bremer Landesbank sitzen fünf Männer. „In der Produktentwicklung steht der Mensch im Mittelpunkt“, hat ein Vertreter von Krupp-Atlas eingangs gesagt. Das heiße, der „Schnittpunkt Mensch-Maschine“, werde so konstruiert, daß er dem Menschen und seinen Bedürfnissen optimal gerecht werde.

K.W.

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