„Wir dürfen uns nicht überrollen lassen“

Günther Hanreich, Sektionsleiter im österreichischen Verkehrsministerium, zum Ende der Brenner-Blockaden und der österreichischen Verkehrspolitik / „Keine Zugeständnisse“  ■ I N T E R V I E W

taz: Die Brenner-Blockaden sind am Dienstag überraschend beendet worden. Welche Zugeständnisse haben Sie den italienischen Spediteuren gemacht?

Günther Hanreich: Wir konnten ihnen keinerlei Zugeständnisse machen. Wir haben lediglich, wie vorgesehen, das Quartalskontingent an Transitscheinen übergeben und darüber hinaus keine weiteren Versprechungen gemacht. Eine Erhöhung der Transit-Genehmigungen ist undenkbar. Bei einem Nachgeben hätten wir lediglich die Lkw-Blockaden gegen die Blockaden durch die betroffene Bevölkerung an den Transitstrecken ausgetauscht. Durch Österreich ballen sich enorme Verkehrsströme in ökologisch hochsensiblen Alpenregionen zusammen, und die Bevölkerungsakzeptanz hat längst ihre Grenze überschritten.

Wie kam es zum plötzlichen Ende der Blockaden?

Der italienische Verkehrsminister Bernini hat unsere Situation sehr gut verstanden. Auch er mußte einsehen, daß uns nichts anderes übrigbleibt, als mit den Transitscheinen hauszuhalten und den Lkw-Verkehr auf die Bahn umzuleiten. Ich glaube, daß er sein Verständnis in den Gesprächen mit den italienischen Frächtern auch weitergeben konnte. Die Spediteure haben wohl auch eingesehen, daß sie keine weiteren Zugeständnisse aus Österreich herauspressen können.

Die italienischen Spediteure haben argumentiert, daß ein Ausweichen auf die Bahn, wie Sie es fordern, nicht möglich sei, weil die Lkws für den Huckepackverkehr zu groß und die Tunnel zu klein seien?

Dieses Argument stimmt nur für den italienischen Streckenteil. Wir haben die Tunnel bereits ausgeweitet auf die Eckhöhe von vier Metern und wir werden darüber hinaus bis zum 1. Dezember einen Terminal am Brenner errichten, mit dem wir einen Shuttle-Service ermöglichen und damit die zu engen italienischen Tunnel umgehen können. Aber auch die Italiener arbeiten mit Nachdruck an der Vergrößerung ihrer Tunnel, so daß wir schon bald die rollende Landstraße bis Verona führen können.

Sinnvoller wäre der Verzicht auf den Huckepackverkehr und ein direkter Transport der Güter mit der Bahn.

Vollkommen richtig. Neben der Technik der rollenden Landstraße gibt es natürlich die viel intelligentere und kostengünstigere Technik des unbegleiteten kombinierten Verkehrs ohne jegliche Tunnel-Probleme. Dazu bedarf es aber entsprechender Umstellungen der Transportwirtschaft, nämlich kran-taugliche Wechselbehälter und Container. Die Transportwirtschaft muß schrittweise von der dummen Technik der rollenden Landstraße auf diese intelligente Technik hinübergleiten.

Glaubt man den Spediteuren, dann war die Brenner-Blockade nur der Auftakt. Mit dem Nachtfahrverbot ab 1.12. stehen Ihnen weitere Protestaktionen ins Haus. Wird Österreich diese Konfrontation durchstehen?

Wir werden mit einer verbesserten Grenzabfertigung und Ausnahmeregelungen für lärmarme Lkws eine Reihe von Abfederungsmaßnahmen für das Nachtfahrverbot treffen, um hier die Notwendigkeiten des Bevölkerungs- und Umweltschutzes mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten zu vereinen. Der jetzige Zustand ist jedenfalls unerträglich. Die Tiroler Bevölkerung hat kein Verständnis, wenn Baumaterialien oder Metallabfälle ausgerechnet nachts in lärmenden alten Lkws befördert werden.

Trotzdem noch mal: Ist eine ökologische Verkehrspolitik, die eigentlich noch radikalere Maßnahmen verlangt, überhaupt durchsetzbar, wenn sie auf solch massive Proteste mächtiger Interessengruppen stößt?

Wir haben keine Alternative. Wir dürfen die zentralen Ziele unserer Verkehrspolitik nicht den Interessen einzelner Gruppen opfern. Der Schutz von Bevölkerung und Umwelt muß oberste Priorität haben. Und wenn sich diese Bevölkerung auf die Straßen setzt, dann fährt sowieso überhaupt niemand mehr.

Ist die breite Zustimmung der Bevölkerung für die Verkehrspolitik von Minister Streicher unter dem Druck der Blockaden ins Wanken geraten?

Hinter dieser Verkehrspolitik stehen alle, vom Bundeskanzler bis zum Obmann der Grünen. Es gab bisher keine einzige Stimme in Österreich, die angesichts der Grenzblockaden für ein Nachgeben plädiert hätte. Wir dürfen uns hier nicht überrollen lassen und müssen hart bleiben.

Was sagen Sie zur Haltung der Bundesrepublik? Bayerns Innenminister Stoiber will die Protestaktionen gegen das Nachtfahrverbot unterstützen.

Wir sind in Gesprächen mit den bundesdeutschen Behörden und versuchen durch Verbesserungen der Abfertigungen und im Eisenbahn-Bereich eine akzeptable Lösung zu finden. Wir erwarten allerdings auch Verständnis für unsere Situation.

Warum so milde, wollen Sie Herrn Stoiber nicht weh tun?

Wir befinden uns in Gesprächen, und ich möchte im Augenblick nicht mehr dazu sagen.

Mit den offenen Grenzen des EG-Binnenmarkts wird der Schwerlastverkehr und damit der Druck auf Österreich weiter ansteigen. Wissen Sie, was da auf Sie zukommt?

Wir sind uns dessen voll bewußt. Deshalb haben wir auch so stark auf Verhandlungen mit der EG zum Transitproblem insistiert. Wir haben immer gesagt, daß dieses Transit -Problem für Österreich existentiell ist und daß dies kein Tauschobjekt für andere Problemfelder ist.

Interview: Manfred Kriener