„Wir brauchen endlich einen Erfolg“

■ Interview mit dem Ökosozialisten Eberhard Mutscheller

taz: Der Beschluß die Stromtrasse zu kippen, heißt doch, die Koalition zu kippen.

Mutscheller: Nein. In der Koalitionsvereinbarung steht, daß umfassend die Wirtschaftlichkeit, die Umweltverträglichkeit, der energiepolitische Aspekt der Stromtrasse überprüft wird. Es geht darum, zu verzögern und wenn es möglich ist, sie so zu kippen.

Die Ökosozialisten, die jetzt den Antrag gegen die Stromtrasse eingebracht haben, waren doch von Anfang an gegen die Koalition.

Das muß man differenzierter sehen. Der Antrag ist von vielen unterschrieben, die keine Ökosozialisten sind. Das ist eher ein Bündnisantrag von der AL-Spandau, Ökosozialisten und Einzelpersonen aus dem Umwelt- und Gesundheitsbereich.

Was wollt Ihr denn? Soll die Koalition platzen, wenn die Stromtrasse - was abzusehen ist - doch gebaut wird?

Das ist eine schwierige Frage, weil das immer so tut, als ob Politik sich immer um einen Punkt drehen würde. Wir sagen, wir brauchen endlich einen Erfolg und nicht das Ende.

Da habt Ihr Euch doch einen ungünstigen Punkt ausgesucht. Nach Meinung der Juristen, der SPD und der AL -Parteifunktionäre ist gegen die Stromtrasse nichts mehr zu machen.

Ich glaube, das ist eher ein günstiger Punkt. Wenn man das Theater ums Ausländerwahlrecht sieht: wenn wir nicht irgendwann anfangen zu sagen, „wir haben auch ein Profil als AL, wir haben auch irgendwas zu verteidigen“, dann denke ich, ist die AL in vier Jahren so zur Unkenntlichkeit entstellt, daß man jedem AL-Wähler nur noch empfehlen kann, SPD zu wählen. Und die juristischen Fragen - da gibt es wie zu jedem öffentlichen Problem mindestens drei Meinungen, und da gibt es Leute aus unserer Ecke, die die Sache ganz anders einschätzen.

Wie wollt Ihr der Bevölkerung klar machen, wenn wegen der Stromtrasse die rot-grüne Koalition platzt?

Du siehst immer schon das Platzen der Koalition, ich sehe das noch nicht.

Da sind viele AL-Funktionäre anderer Meinung.

Dann sollen sie mal endlich anders mit der SPD verhandeln und sich nicht gleich wieder so von der SPD unter Druck setzen lassen. Die SPD hält sich nicht an die Koalitionsvereinbarungen und das klagen wir ein.

Meinst Du denn, den Leuten, die die rot-grüne Koalition gewählt haben, ist die Stromtrasse so wichtig? Fightet Ihr da nicht auf einem Nebenschauplatz, während in Berlin viel wichtigere Probleme, wie Wohnungsnot, ökologischer Stadtumbau nicht angegangen werden?

Wir fighten auch auf dem wohnungspolitischen Feld, als Ökosozialisten. Wir haben schon zwei Veranstaltungen gemacht, wenn das in der Öffentlichkeit nicht ankommt, haben wir da nicht alleine die Schuld.

Welche Auswirkungen hat der MVV-Beschluß? Wird er die Position der AL in der Koalition stärken?

Ja. Sagen wir mal so, es sind hilflose Versuche, das Duckmäusertum in der AL zurückzudrängen.

Wieso hilflos?

Weil die AL-Funktionärsebene schon so auf SPD-Linie ist, daß es mir graust. Die Leute fragen sich ja schon: welche Probleme hat die SPD. Statt zu fragen, wie setzen wir das AL -Programm um.

Interview: Myriam Moderow