Väter, Töchter und Computer-Karrieren

Die bundesweit erste feministische Fachtagung der „Gesellschaft für Informatik“ begann mutig mit Persönlich-Politischem / Über fachfrauenspezifische Besonderheiten von Lebensläufen und den Umgang mit „frühzeitig vergreisten Kindern“  ■  Aus Bremen Barbara Debus

„Frauenwelt - Computerräume“: Die viertägige bundesweite Tagung in der Bremer Universität ist die erste von Frauen ausgerichtete Tagung im Berufsverband der InformatikerInnen, und was die beiden Referentinnen, Gisela Jasper und Britta Schinzel, am Eröffnungstag auf dem Podium mutig bekannten, löste großen Beifall und zigfaches Wiedererkennen im Saal aus.

Die beiden Referentinnen gehören einer seltenen Spezies an: Sie sind Fachfrauen für Informatik. Gisela Jasper arbeitet als selbständige Software-Entwicklerin und hat ausschließlich mit männlicher Kundschaft zu verhandeln. Britta Schinzel ist eine der seltenen Professorinnen für Theoretische Informatik und über hundert männlichen Kollegen an der Technischen Hochschule ausgesetzt. Beiden Fachfrauen gelang es gestern, eine sehr persönliche Antwort auf die Fragen zu finden: Wie kommt eine Frau dazu, Mathematikerin oder Informatikerin zu werden? Und was unterscheidet sie von einem Informatiker oder einem Mathematiker? Warum zweifelt sie jahrelang, trotz Erfolg und Können, an ihrer Kompetenz?

Schon in der Eröffnungsrede hatte die Mathematikprofessorin und Schriftstellerin Helga Königsdorf (DDR) ihre Gedanken über die Symbiose Mensch/Computer mit persönlichen Bemerkungen gespickt. Sie war es auch, die ihren Absprung in die Schriftstellerei so begründete: Spitzenpositionen in Politik und Technik führen zu Deformationen der Persönlichkeit. Mathematiker lassen wichtige Teile ihrer Persönlichkeit ungenutzt. Von ihren Exkollegen sprach sie wenig respektvoll als „frühzeitig vergreisten Kindern“.

Frappierend an den Lebensläufen von Gisela Jasper und Britta Schinzel waren dann die vielen Parallelen - Herkunft: akademisch; Vater: Physiker oder naturwissenschaftlich orientierter Mediziner; Mutter: Hausfrau und unzufrieden; Tochter: das erste Kind und „vater-identifiziert“, vom Vater sehr gefördert und als Junge erzogen. Britta Schinzel besuchte, wie so viele nichtabgeschreckte Naturwissenschaftlerinnen, eine Mädchenschule. Die „Karriere“ in Hochschule und Beruf beschrieben beide als ungeplant, da sie sich beide diese nicht zugetraut hatten (Männer planen ihre Karriere zielstrebig, Frauen haben „eine gewisse Passivität“).

Britta Schinzel zitierte zudem aus wissenschaftlichen Untersuchungen über die seltene Spezies der Naturwissenschaftlerin, in denen die übereinstimmenden Momente aus den beiden Biographien als typisch für die Spezies Mathematikerin/Informatikerin ausgewiesen werden wie etwa die Stichworte „Vater Naturwissenschaftler“ und die betreffende Fachfrau das „erstgeborene Kind“. Britta Schinzel bekannte, sie sei alles andere als glücklich gewesen, als sie zum ersten Mal diese Ähnlichkeiten mit ihren Kolleginnen entdeckt hatte. Sie sei sich regelrecht „entindividualisiert“ vorgekommen, als „Normfrau“.

Der Vortrag der beiden hatte auch die Klippen umschifft, die sie selbst gefürchtet hatten: ins Weinerliche zu verfallen oder aber in eine falsche Frauen-Umarmung zu geraten.

Am Freitag war die „Fachfrau für Datenverarbeitung“ nur einer von fünf Tagungsschwerpunkten. In den vier anderen Referatkomplexen ging es um das weibliche Weiterentwickeln der Computertechnologie, um Computer und Mädchenbildung, um Computerkunst und -kultur sowie um die „Ausbreitung der Computertechnologie in der Erwerbsarbeit“ - wo Frauen weniger als TechnikentwicklerInnen, eher als von Arbeitslosigkeit und Dequalifikation bedrohte Schreibkräfte betroffen sind. Aber schon der Eröffnungstag hatte gezeigt, daß die 350 TagungsteilnehmerInnen nicht bei Klageliedern stehen bleiben würden. Die standen auch abends nicht auf dem Programm, sondern ein Konzert der Computermusikerin Viola Kramer - erste Preisträgerin beim Prix Ars Elektronica 1989.