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Bewag boykottiert 110-KV-Kompromiß

■ Das Energieunternehmen verweigert dem Senat Prüfdaten zur Beurteilung von 110-KV-Trassenvariante / Letzter Ausweg: Der Bewag die Konzession entziehen

Die von Senatssprecher Kolhoff (SPD) in Richtung AL angekündigte Kompromißbereitschaft der Sozialdemokraten, bei Akzeptanz des Vertrages über den Stromverbund mit der DDR wenigstens in Sachen einer Trassenführung zu einer „möglichst umweltverträglichen Lösung“ zu finden, wird von der Bewag schlecht gedankt. Der Strommonopolist weigert sich, an die zuständigen Senatsverwaltungen Unterlagen zur Prüfung der Alternative eines Stromtransports zum Kraftwerk Reuter über ein 110-KV-Erdkabel herauszurücken. An den bisherigen Plänen für eine 380-KV-Leitung will die Bewag nicht rütteln lassen.

Damit steht ein neuer Konflikt mit dem Senat ins Haus. Auf eine Große SPD/AL-Anfrage hin muß der Senat nämlich demnächst unter anderem die Frage beantworten, ob diese Alternative sowie die Möglichkeit des Einsatzes der Kunststoffkabeltechnik geprüft worden ist. Zumindest die Umweltverwaltung will es aber auf keinen Fall hinnehmen, daß den ParlamentarierInnen „bloße Behauptungen der Bewag referiert werden“. Um die Anfrage ordentlich beantworten zu können, müsse der Wirtschafts- und der Umweltverwaltung eine Überprüfung der Alternative anhand konkreter Bewag-Daten möglich sein, so der Groth-Referent Thomas Schwilling.

Gebraucht werden Daten über das gesamte Stromlastmanagement der Bewag. Dabei soll die Behauptung überprüft werden, die Notwendigkeit, den Verbundstrom erst herunter- und dann im Kraftwerk Reuter zur Einspeisung in die nach Moabit laufende 380-KV-Leitung wieder hochzutransformieren, verhindere eine Kopplung mit dem Verbundnetz der Europäischen Gemeinschaft im Frequenzbereich von 50 Hertz. Schwilling zufolge begründete Bewag-Vorstandssprecher Dr. Tegethoff die Geheimhaltungspolitik mit einem „unverhältnismäßig hohen Aufwand“ für Informationsübermittlung. Ferner habe die Bewag intern angedeutet, daß sie keine Lust habe, sich von der Umweltverwaltung Alternativrechnungen über einen effektiven Kraftwerksbetrieb aufmachen zu lassen. Man befürchte monatelange Entgegnungen. Eine ähnliche Hinhaltetaktik hatte die Bewag erst im Frühjahr demonstriert, als das Unternehmen dem Senat einen Einblick in den eigentlichen Strom -Liefervertrag verwehrte. Erst nach gut zwei Monaten bequemte sich die Bewag zu einer Auskunft über die Preise des von der Preussen-Elektra bezogenen Stroms.

Der Vertrag selbst sei allerdings rechtswirksam und das Untersagungsermessen der Energieaufsichtsbehörde wegen des zuvor geschaffenen Vertrauenstatbestandes „gegen Null reduziert“, ergab im Juli ein vom Senat bestelltes Gutachten des Instituts für Stadtforschung und Strukturpolitik (IfS).

Eine verbleibende Möglichkeit für eine neue Energiepolitik, so AL-Experten, sei die schnellstmögliche Kündigung des Konzessionsvertrages mit der Bewag.

Thomas Knauf

(Siehe auch Interview auf Seite 18)

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