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Standbild: bayerisch-subversiv

■ Leo's Magazin aus München

(Leo's Magazin aus München, 22 Uhr, ARD) Die Bayern, so heißt es, sind grantig bis grob, haben fürs Feine nichts übrig. Nie vermutet hätte ich also, daß sie einen ausgesprochenen Hang zum Subversiven haben. Da schalte ich abends um 22Uhr einen öffentlich-rechtlichen Sender ein, müde der nächtlichen Werbeeinblendungen in den privaten Sendern, und weil meine bayerischen Freunde sagten, guck dir Leo's an, das ist irrsinnig komisch. Und was flimmert dann vor meinen erstaunten Augen? Werbung! Ein richtiger halbstündiger Werbeblock kurz vor den Tagesthemen! Listig hat der bayerische Rundfunk nicht abgewartet, bis die ARD einen diesbezüglichen Beschluß gefaßt hat (obwohl ihnen das Eigenbrötlerische ja auch liegt). Aber recht haben sie. Was ist schon eine propere, also fade Ariel-Madame mitten im Spielfilm auf Sat1 gegen einen ehemaligen Bundespräsidenten in der ARD, der für einen namensvetterlichen Sekt wirbt. Und was ist ein Boris Becker, dessen werbewirksamer Charme sowieso eher bläßlich ist, gegen einen echten Ewing aus Dallas, volksnah in einem Münchner Bus (!) sitzend, der dem Whisky entsagt und stattdessen einen Joghurt aus Aretsried anpreist! Und - wirklich innovativ - da wird nicht einfach für Schokoriegel oder Seife geworben, sondern für Produkte und Dienstleistungsunternehmen, die einen Werbefilm gar nicht erst erwägen würden. Wie sonst käme ein Edeljuwelier aus dem Ruhrpott zu republikübergreifender Reklame? Oder würde ein Restaurant, dessen Qualität augenscheinlich darin besteht, daß dort der Grimme-Preis, den Leo's erhielt, ausgeheckt wurde, sonst zu bester Sendezeit Werbung machen? Das muß ein ziemlich weinseliger Abend gewesen sein für die Grimme-Juroren.

Großartig ist auch die Idee mit dem Moderator, der seiner Berufsbezeichnung alle Ehre macht. Leise, also moderat, nahezu beiläufig, mit überlegener und unbeeindruckbarer Attitüde, fern von Gottschalkscher Lustigkeit und Elstnerhafter Bemühtheit, zieht Andreas Lukoschik Geldadel und Prominenz heran, um uns zu zeigen, was in und was out ist, orientierungslos, wie wir in dieser komplexen Welt nun mal sind.

„Nichts ist subversiver als gute Manieren“, soll Leo's Motto sein. Und ausgerechnet aus Bayern soll uns beigebracht werden, was gute Manieren sind? Ja freilich, wenn man berücksichtigt, daß in der Kleinstadt an der Isar sich gute Manieren in eleganter Kleidung, nichtssagenden Fragen und ebensolchen Antworten, höflichem Product Placement und endloser Langeweile äußern, dann haben uns die Bayern schon einiges voraus. Auch, wenn sich Franz-Joseph selig im Grabe umdrehen würde ob mangelnder barocker Einlagen.

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