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Herrhausen ärgert auch die Dresdner Bank

Nach dem Schwertfisch der Hammer: Mit seinen Vorstellungen über eine „Anstalt für wirtschaftliche Erneuerung“ für Polen greift der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank auch tragende Säulen des Konkurrenzgefüges unter den bundesdeutschen Geldhäusern an  ■  Vom Luncheon Ulli Kulke

Ein Tuscheln ging um in der rund 50köpfigen Journalistenschar, die soeben die Vorspeise des traditionellen Montags-Luncheon der Deutschen Bank im Embassy Row Hotel beendet hatte, als Chefbankier Alfred Herrhausen zu dem Punkt kam, mit dem er im September 1989 Schlagzeilen machen will. Und so spektakulär wie jene Komposition (Schwertfisch mit Ziegenkäse unterlegt, da war selbst die renommierte und Luncheon-erfahrene ZDF -Wirtschaftsjournalistin sprachlos), so waren dann auch die Vorschläge des alerten Bankers.

Nachdem er bislang stets nur über den Verzicht bei Drittweltschulden laut nachgedacht hatte, will er nun für Polen die „Schulden- oder Schuldendienstreduktionen“ vorantreiben. Damit aber die freiwerdenden Mittel „zweckgerecht und effizient eingesetzt“ werden können, „so wie das in der Nachkriegszeit in Westeuropa mit den Marshallplan-Geldern geschah“, hat sich Herrhausen gleich Konkreteres ausgedacht: „eine vorübergehende, von außen kommende Mit-Steuerung des Mitteleinsatzes.“

Und „in diesem Zusammenhang könnte man sich vielleicht eine vor Ort, also in Warschau tätige Institution vorstellen, die die materielle Hilfe bündelt und nach strengen westlichen Vergaberichtlinien einsetzt“. Herrhausen könnte sich „durchaus denken, daß eine solche Institution nach dem Grundmuster der Kreditanstalt für Wiederaufbau errichtet werden kann“. Aber nicht nur Vorbild und der Name „Anstalt für wirtschaftliche Erneuerung“ samt Abkürzung („AWE“) stehen schon im Notizbuch des Bankers. Für die Institution, die „helfen und kontrollieren“ soll, will Herrhausen auch schon gleich Einstellungskriterien aufstellen: Er könnte sich „als Vorsitzenden zum Beispiel einen in Entwicklungsfragen erfahrenen Holländer vorstellen“.

Und damit keinen Kollegen von der Dresdner Bank. Mit seiner Rede hat der Chef des größten Geldhauses der BRD nun nichts weniger als die bislang einigermaßen stabile Grenzziehung, die zwischen der Deutschen und der Dresdner Bank im internationalen Umschuldungsgeschäft galt, zur Disposition.

Nach MBB die AWE

Ungeschriebene Gesetze besagte noch allemal: die bundesdeutsche Federführung bei Verhandlungen mit säumigen und unbotmäßigen Schuldnern in Lateinamerika obliegt der Deutschen Bank, weil sie dort am stärksten engagiert ist. Problemfälle in Osteuropa aber - vor allem Polen - kamen weitgehend unter die Fittiche der Dresdner Bank, die in den Osten relativ viele ihrer Auslandskredite vergeben hat.

So war es bisher. Herrhausens Vorschlag ist die zweite Attacke auf die Nummer2 der Banken innerhalb kurzer Zeit. Die „Deutsche“ als Nummer1 ist schließlich gerade dieser Tage dabei, über ihre 28prozentige Industriefiliale Daimler -Benz beim Luft- und Raumfahrtkonzern MBB einzusteigen, für den bislang eher die Dresdner als Hausbank galt.

Souverän und recht kurz angebunden nahm Herrhausen auch zur Kritik des Commerzbank-Chefs Walter Seipp an den Initiativen des US-Finanzministers Brady und seinem eigenen „Herrhausen -Plan“ (taz vom 26.9.) Stellung: Er akzeptiere diese Haltung zwar - aber „sie ist nicht meine Meinung“.

Fünf Jahre Zeit

Eine recht detaillierte Meinung hat Herrhausen allerdings über den zeitlichen und quantitativen Umfang der Polen -Sanierung: Fünf Jahre will der Bankenchef für diesen Prozeß ansetzen, „dann müßten die Maßnahmen Wirkung zeigen“. Mit Lech Walesa, der - freilich während der alten Regierung noch eingeklagt hatte, Kredite unbedingt nur unter wirtschaftlichen Auflagen zu vergeben, geht Herrhausen nicht nur diesbezüglich d'accord. Auch die Vorstellungen von der Größenordnung, an die der Arbeiterführer dachte, wollte er unterstüzen - wobei er allerdings auf Anhieb nicht die Frage beantworten konnte, ob es sich bei den zehn Milliarden um Dollar oder Mark handeln sollte (es handelt sich um Dollar).

An die ganz große Nuß will sich Herrhausen mit seinen finanziellen Systemknackern indes noch nicht heranwagen: „Die UdSSR wäre ein anderer Fall als Polen.“ Einerseits sieht man für das Land Lenins die Notwendigkeit zu einer eigenen Kontrollbehörde nicht so sehr wie in Polen, da mit der Sowjetunion erst kürzlich ein Investitionsschutzabkommen unterzeichnet wurde. Herrhausen hegt jedoch eher ganz grundsätzliche Zweifel. Während die Polen wenigstens noch vor etwas mehr als einer Generation die nötigen marktwirtschaftliche Erfahrungen durchmachen konnten, fehlen sie in der Sowjetunion völlig - auch vor 1917. Und wenn jetzt dort eine Generation am Werke sei, „die will“, so müsse erst noch eine andere Generation nachfolgen, die auch „tatsächlich kann“.

Ganz konsequente Medienvertreter wollten nun aber nicht einsehen, warum denn die Deutsche Bank nicht selbst vor Ort in Polen eine Filiale aufmache. Sie wollen wissen, daß zwischen Stettin und Rzezow eine Unmenge von Dollar und Mark unter den Matratzen lagern, weil niemand Vertrauen in die polnischen Banken habe. Da fehlte denn aber auch dem Deutsch -Bankier jedwedes Vertrauen: „Was sollen wir denn dann mit dem Geld machen, etwa in Zloty umtauschen? - Denn das müßte man ja dann, um sie zu investieren!“ Vorstandsmitglied Schneider-Lenne empfahl dagegen, schon heute die Gelder auf polnische Bankkonten zu legen: „Das ist die Hilfe zur Selbsthilfe, von der wir sprechen.“

Trotz des Blickes nach Osten hat Herrhausen nicht sein Hauptfeld vergessen, mit dem er sich in den vergangenen zwei Jahren einen Namen gemacht hatte: Die Forderung auf Nachlaß bei den Bankenschulden oder den Schuldendienstverpflichtungen. Und während er noch im Verlaufe der letztjährigen Berliner Tagung in einem taz -Interview vom Begriff „Schuldennachlaß“ nichts wissen und ausdrücklich nur „Schuldenerleichterung“ gelten lassen wollte, will er jetzt im Zuge der Vereinbarung Mexikos mit seinen Gläubigerbanken sein Haus als eine debt reduction bank verstanden wissen.

In dem Zusammenhang stellte er auch noch einmal seinen Plan zur Diskussion: Erst eine 50prozentige Zinssenkung über fünf Jahre, während die Banken die Kredite in ihren Bilanzen „wertberichtigen“, also ihren Wert entsprechend der Kreditwürdigkeit des jeweiligen Schuldnerlandes nach unten korrigieren. Ist das geschafft, sollen die Zinsen wieder auf das Marktniveau angehoben werden, während jedoch gleichzeitig die Schulden in ihrer absoluten Höhe rigoros gekappt werden, auf ebenfalls bis zur Hälfte, und der Rest mit langen Laufzeiten versehen wird. Eines jedenfalls bräuchten die Schuldnerländer nicht: eine Steigerung der Schuldenlasten, die aus neuer Kreditvergabe, dem fresh money, resultierten.

Eine Schwachstelle seines Planes hat Herrhausen freilich auch in Washington nicht bereinigen können, sie wurde im Gegenteil hier deutlicher denn je. Kollege Walter Seipp von der Commerzbank hat erklärt, daß ihm der ganze Zeitgeist nicht paßt, den Herrhausen und der US-Finanzminister Nicholas Brady mit ihrer Debatte über Schuldennachlaß entfacht haben. Am Mexiko-Deal, der - wenn auch in geringem Maße - genau darauf hinausläuft, will er sich denn auch nur auf Druck beteiligen. Herrhausen als Wirtschaftsliberalem schwebt für seinen eigenen Plan „selbstverständlich“ allerdings nur eine rein freiwillige Teilnahme der Banken vor. Wer kann dann Walter Seipp und die Betonfraktion der Banker zur Teilnahme bewegen?

Mit Zeitgeist für

grünes Madagaskar

Immerhin, wenn es auch nichts wird mit dem Herrhausen-Plan, ein Trost bleibt: Man kann trotzdem auf den kommenden Weltwährungstagungen auch weiterhin den Schuldenverzicht predigen und sich im übrigen mit „Peanuts“ eine gute Presse sichern, wie das Herrhausens Institut etwa mit dem Verschenken von Schuldtiteln gegenüber Madagaskar an Umweltorganisationen vorgeführt hat.

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