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Banken wollen nichts mehr hergeben

Thema in Washington: Müssen aufgrund zu hoher Wertberichtigungen nach dem Mexiko-Deal Steuern nachgezahlt werden?  ■  Aus Washington Ulli Kulke

Ein bemerkenswertes buchhalterisches und steuerrechtliches Problem dürfte der Plan des US-Finanzministers Nicholas Brady aufwerfen. Große Verwirrung herrscht darob unter den bundesdeutschen Großbanken. Und die wurde nach der Pressekonferenz des Bundesverbandes der Deutschen Banken während der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank nicht ausgeräumt, sondern eher noch deutlicher.

Denn Verluste können bundesdeutsche Banken ebenso von den Steuern absetzen, wie das jedes andere bundesdeutsche Unternehmen auch darf. So haben die Geldhäuser durch „Wertberichtigungen“ auf Dritte-Welt-Kredite Millionen an Steuerschulden gespart. Kreditinstitute und Finanzämter werden deswegen noch in diesem Jahr vor der konkreten Frage stehen: Was passiert, Wenn sich diese Risikovorsorge nach einem „Brady-Abkommen“ wie jetzt mit Mexiko aber als viel zu hoch erwiesen hat? Eigentlich logisch, daß dann entsprechende Steuernachzahlungen fällig wären.

Der Fall Mexiko: Es sollen zwar bis zu 35 Prozent der Schulden bei den einzelnen Banken erlassen werden. Der Rest, 65 Prozent, wird dafür durch eigens von Mexiko erworbene und dann frei handelbare US-Wertpapiere abgesichert. Einzelne Banken haben jedoch ihre Mexiko-„Engagements“ bereits um rund 50 Prozent abgeschrieben. Was nun? Für den Chef der Bayrischen Hypobank, Martini, der für den erkrankten Bankenverbandspräsidenten Röller das Zepter bei der Pressekonferenz führte, war die Sache am Dienstag in Washington einigermaßen klar: Wenn sich die Wertberichtigungen als zu hoch herausstellten, dann „werden die Steuern natürlich zurückgezahlt“.

Der Bayer hat leicht reden. Sein Haus habe sich rechtzeitig von all seinen Mexiko-Papieren getrennt (sprich sie an Dritte zum Discountpreis weiterverkauft), erklärte er vor der Presse mit dem Anflug eines Lächelns, das Schlitzohrigkeit verraten sollte.

Herrhausen will

zurückzahlen

Anders der derzeitige Chef des größten bundesdeutschen Kreditgebers in Sachen Lateinamerika, Alfred Herrhausen, Chef der Deutschen Bank. Er gab sich vor allem gesetzestreu: Das Bilanzrecht schreibe in der Bundesrepublik eine „Einzelfallprüfung“ vor, und dieser Prüfung müsse Mexiko auch nach dem Schuldennachlaß und der vermeintlichen Kreditsicherheit auf den Rest unterworfen werden.

Es käme dabei für ihn überhaupt nicht in Frage, die verbleibenden 65 Prozent mit hundertprozentiger Sicherheit zu bewerten, wie er auf Nachfrage erklärte. Alles hänge da vom „Enhancement“ ab, also den Sicherheits-Papieren der verbleibenden Mexiko-Schuld. Im Klartext: Die Deutsche Bank, die insgesamt die Wertberichtigungen all ihrer Drittweltkredite im Umfang von 70 Prozent geleistet hat, will hier erst mal keine Steuern nachschießen. Im übrigen müßten die Finanzämter die Berechtigung jeglicher steuerwirksamer Wertberichtigung prüfen. Eines sei für ihn indes klar: Die Bewertung der einzelnen Schuldenpapiere auf dem Sekundärmarkt für faule Schulden könne dafür keine Grundlage sein. Dazu sei dieser Markt zu klein, die Preise zu sehr zufällig.

Commerzbank will

Abschreibungen umwidmen

Klarere Gedanken trägt hier der Chef der kleinsten bundesdeutschen Großbank, der Commerzbank, Walter Seipp, mit sich herum. Auf der Pressekonferenz pflichtete er den gesetzestreuen Worten Herrhausens bei. Beim Cocktail-Empfang in vertrauterer Atmosphäre hatte er indes auch schon mal auf die Beliebigkeit der Kriterien für die einzelnen Länder -„Ratings“ gesetzt: Im Zweifel „widmen wir die Abschreibungen einfach auf andere Länder um“, meinte der Banker von der alten Schule. Im übrigen wies der Chef der einzigen bundesdeutschen Großbank, die im ersten Halbjahr 1989 Nullwachstum zu verzeichnen hatte, nicht ohne Selbstironie darauf hin, daß entsprechende Steuernachzahlungen nur aus Gewinnen geleistet werden könnten.

Das große Glattbügeln der Pläne der Deutschen Bank zur Schuldenreduzierung, die deren Sprecher nunmehr auf der dritten Währungs-Jahrestagung in Folge geäußert hatte, fand anders als in den beiden Vorjahren nicht statt. Commerzbank -Seipp meinte lediglich, der Herrhausenplan sei sicher „intellektuell gut durchdacht“, er funktioniere nur nicht. Ansonsten wollte er sich - eher bockig - nicht mehr dazu äußern. Außerhalb von Pressekonferenzen meint er dagegen schon mal: „Schnapsidee“.

Dresdner Bank will

Boden gutmachen

Bei der Drsdner BAnk zeigten sich die Manager bemüht, Boden in Sachen Zuständigkeit für Polen-Kredite wiedergutzumachen. Deutsche-Bank-Chef Herrhausen hatte am Vortag genaue Vorschläge dazu gamacht und en passant der Dresdner Bank die zuständigkeit für die Verhandlungen mit Polen abgesprochen (taz vom 27.9.). Vorstandsmitglied Jürgen Sarrazin: „Auf der Bankenseite gehören wir in der Bundesrepublik zu den Instituten, die über ein hohes Polen-Know-how verfügen“, und für die Dresdner Bank spreche hier „unsere langjährige intensive Erfahrung mit den Comecon-Ländern“.

Zwar beschwichtigte Sarrazin: „Wir haben nicht das Gefühl, daß die Deutsche Bank hier in unseren Garten eingebrochen ist.“ Andererseits war aus Kreisen der Bank jedoch die Einschätzung zu vernehmen, daß Herrhausens Vorstoß auch als eine Profilierung mitten im Arbeitsbereich der Dresdner Bank interpretiert werden könnte. Der für Polen zuständige Vorstand: „Eines kann ich Ihnen versichern, Herr Herrhausen hat uns nicht konsultiert.“ Im übrigen sei das Ganze aber auch unter dem Aspekt zu sehen, daß die Geschäftsbanken nur ein Viertel der ausstehenden Kredite hielten, drei Viertel seien staatlich verbürgt. Genau hier aber müsse eine Problemlösung ansetzen.

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