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Ein Plünderer und Ex-Diktator tritt endgültig ab

Der ehemalige philippinische Staatschef Ferdinand Marcos starb im Exil / In Manila kräht kein Hahn mehr nach ihm Der 1986 abgehalfterte Diktator richtete sein Land so zugrunde, daß es als „Asiens kranker Mann“ galt  ■ N A C H R U F

Aus Manila Gebhard Körte

Ferdinand Edralin Marcos, der gestern im Saint-Francis Medical Centre in Honolulu 72jährig starb, ist ein Sonderplatz in der Geschichte sicher: als ein großer Plünderer und skrupelloser Langzeitdiktator, der seinen Landsleuten zur Garnierung des Kriegsrechts eine „neue Gesellschaft“ versprach, aber statt dessen gemeinsam mit seiner Ehefrau Imelda und einer kleinen Schar von Günstlingen die Philippinen derart zugrunde richtete, daß der südostasiatische Inselstaat die zweifelhafte Reputation des „sick man of Asia“ erlangte.

Länger als zwanzig Jahre ein Volk zu beherrschen, das während dieser Zeit um nahezu das Doppelte auf 56 Millionen Menschen anwuchs, verlangte jedoch mehr als die Gefolgschaft des Militärs, das Marcos mehr als verdreifachte. Sein gefährlichster Gegenspieler, der bürgerliche Oppositionspolitiker Benigno Aquino, hat die Methodenvielfalt des gerissenen Autoraten in ihrer Gesamtheit erlebt und wie Tausende andere schließlich mit dem Leben bezahlt. Sein Resümee: „Marcos überredet, bevor er besticht, besticht, bevor er droht, droht, bevor er verhaftet und verhaftet, bevor er tötet.“

Am 11. September 1917 im Nordwesten der Hauptinsel Luzon als Sohn eines Juristen und einer Lehrerin geboren hätte dem in bürgerlichen Verhältnissen aufgewachsenen Marcos kaum jemand kaum mehr als eine Provinzkarriere vorauszusagen gewagt. Angetrieben von ehrgeizigen Eltern machte er bald als exzellenter Schüler und überdurchschnittlicher Sportler von sich reden. Für das juristische Staatsexamen paukte er im Gefängnis, war er doch der Ermordung eines politischen Konkurrenten seines Vaters für schuldig befunden worden. Wenig später erreichte er vor dem Obersten Gericht einen Freispruch.

Während der Periode der japanischen Besatzung und der US -amerikanischen Kolonie schlängelte er sich zunächst als Leutnant, nach der Kapitulation der philippinisch -amerikanischen Verbände als Angehöriger verschiedener Guerilla-Gruppen geschickt durch die Kriegswirren. Entgegen seinen späteren Behauptungen, höchst dekorierter Soldat seines Landes mit mehr als dreißig Auszeichnungen zu sein sprechen eine Reihe von Indizien dafür, daß er nicht nur kaum eine der Medaillen zu Recht trug, sondern wahrscheinlich insgeheim mit der japanischen Besatzungsmacht zusammengearbeitet hat - wie sein Vater, der dafür von der Guerilla getötet wurde.

Vier Jahre nach Kriegsende zog Marcos, der sich mittlerweile als Anwalt in Manila niedergelassen hatte, für seine Heimatprovinz Ilocos Norte in den Kongreß ein. Mit der Wahl zum sechsten philippinischen Präsidenten erreichte er im Dezember 1965 den Gipfel seiner politischen Karriere. Doch die Ambitionen des Mannes, dessen Fallstudie jeden Psychiater reizen müßte, war auch nach einer Wiederwahl der ersten in der jungen Geschichte der Philippinen nach der Unabhängigkeit - nicht befriedigt. Am 21. September 1972, ein Jahr vor dem Ende seiner zweiten Amtszeit, verhängte er das Kriegsrecht, weil eine erneute Kandidatur laut Verfassung nicht möglich war. Auch nach der formellen Aufhebung des Ausnahmezustandes im Jahre 1981 regierte er mit Hilfe von Dekreten uneingeschränkt weiter. Die Wiederzulassung eines Ein-Kammer-Parlaments und von Gewalt und Fälschungen geprägte Präsidentschaftswahlen waren nicht mehr als kosmetische Eingriffe, um der Weltöffentlichkeit ein passableres Bild zu bieten.

Erst der Aufsehen erregende Mord an dem aus dem amerikanischen Exil zurückkehrenden Benigno Aquino auf dem internationalen Flughafen in Manila im August 1983 leitete den Sturz des Diktators ein. Die USA gingen auf Distanz, nachdem die Massenproteste Bürgertum und Linke zu Volksfront -ähnlichen Bündnissen, dem „Parlament der Straße“ zusammenführten und die NPA-Guerilla dramatisch an Stärke gewann. Im Februar 1986 mußte Marcos nach einer mehrtägigen Kombination aus Militär- und Volksrevolte schließlich sein Amt der um den Wahlsieg betrogenen Corazon Aqiuno überlassen. US-Militärflugzeuge beförderten ihn ins unfreiwillige Exil. Von dort bemühte er sich bis zu seiner Einlieferung ins Krankenhaus recht erfolglos um eine Destabilisierung der Verhältnisse in seiner Heimat. In den letzten Monaten wurde er auf Wunsch seiner Familie nur noch künstlich am Leben gehalten, bis er am Donnerstag an einer Herzschwäche starb.

Die Nachricht seines Todes machte in Manila wenig Eindruck. Das einzige, was die noch immer darbende Bevölkerungsmehrheit sich wahrscheinlich wünscht, ist die Wiederbeschaffung der auf mindestens fünf Milliarden US -Dollar geschätzten Marcos-Beute. Doch das ist von einer „revolutionären“ Administration, deren Korruption sich den Marcos'schen Ausmaßen annähert, kaum zu erwarten.

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