: Hamburger Senat ließ in Neuengamme räumen
Polizei beendet Protestaktion der Roma und Sinti auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Neuengamme / Hamburger Kulturbehörde hatte Strafantrag gegen die Besetzer gestellt / Spontan-Demonstration zum Rathaus / Kein Bleiberecht für alle ■ Von Lisa Schönemann
Hamburg (taz) - Das Lager der etwa 300 Roma und Sinti auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Hamburg -Neuengamme ist am Montag von der Polizei geräumt worden. Die Roma hatten am Sonnabend das einstige Klinkerwerk des Lagers besetzt, um gegen ihre drohende Abschiebung zu demonstrieren und vor der herbstlichen Kälte Zuflucht zu suchen. Die Kulturbehörde hatte wegen der Besetzung des Klinkerwerkes Strafantrag gestellt. Gegen neun Uhr morgens rückte die Polizei mit zwei Hundertschaften und einem Hubschrauber an, um die verbarrikadierten Türen der Halle mit Kettensägen zu öffnen. Die Roma hielten sich mit etwa 50 Personen in dem Haus auf.
Die bevorstehende Räumung versuchten die Roma dadurch zu verhindern, daß sie drohten, bereits verschüttetes Benzin in der Halle anzuzünden. Die aufgebrachten Menschen konnten jedoch nach einiger Zeit von einem Roma beruhigt werden und verließen das Klinkerwerk. Eine Eskalation konnte somit verhindert werden.
Die Roma formierten sich anschließend zu einem Demonstrationszug, der sich in der Begleitung zahlreicher UnterstützerInnen in Richtung Innenstadt in Bewegung setzte. Sie wollten zum etwa 20 Kilometer entfernt gelegenen Rathaus der Hansestadt gelangen. Der lange Fußmarsch dauerte bei Redaktionsschluß noch an.
Die von der Abschiebung bedrohten Roma hatten seit über vier Wochen in einem Zeltlager am Konzentrationslager ausgeharrt, um nicht einzeln abgeschoben werden zu können. Zuletzt hatten sich etwa 400 Personen in Hamburg-Neuengamme aufgehalten.
Die Kulturbehörde Hamburg hatte als Hausrechtsinhaber überraschend einen Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gestellt. Entsprechend der Regel, daß besetzte Gebäude in Hamburg binnen 24 Stunden geräumt werden, hatte der Innensenator daraufhin die Räumung durch unbewaffnete Polizeikräfte angeordnet. Nach Angaben der Roma wurden ihnen Busse zur Verfügung gestellt, die sie in bereitgestellte Unterkünfte transportieren sollten. Die Roma lehnten jedoch ab, auf einzelne Wohnungen im Hamburger Osten verteilt zu werden.
Von seiten des Hamburger Senats liegt ein Angebot vor, eine begrenzte Anzahl von Roma und Sinti in der Hansestadt aufzunehmen. Dieses ist deutlich auf etwa 150 Personen begrenzt. Die 150 Menschen sollen im Rahmen einer besonderen Härtefallregelung bleiben können, das Diakonische Werk soll sie betreuen. Im übrigen ist das Bleiberecht dieser kleinen Gruppe an Voraussetzungen wie einen mindestens vierjährigen Aufenthalt in Hamburg geknüpft. Zudem müssen konkrete Ansätze einer Integration wie der Schulbesuch der Kinder nachgewiesen werden.
Auch das Vorliegen einer bereits verfügten Ausweisung oder bisherige Straffälligkeit sollen dem Bleiberecht nach den Vorstellungen des Senats im Wege stehen.
Wo die Roma sich weiterhin aufhalten wollen, war bei Redaktionsschluß noch unklar. Das Klinkerwerk in Neuengamme, in dem sie ihre gesamte Habe zurückließen, wird von der Polizei bewacht, um eine erneute Besetzung zu verhindern.
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