Bürgermeister von Nazis Gnaden gibt auf

Der Bürgermeister von Bad Hersfeld drängt selbst auf Abwahl, um seine Pensionsansprüche zu retten / Wallmanns Staatssekretär im Innenministerium als Drahtzieher für das CDU/NPD Bündnis? / Magistrat erstattet Strafanzeige gegen die Grünen wegen Aufruf zur Demonstration  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Wiesbaden (taz) - Der erst am vergangenen Donnerstag mit den Stimmen von NPD und CDU zum Bürgermeister von Bad Hersfeld gewählte Hartmut Böhmer forderte gestern die im Stadtparlament vertretenen „demokratischen Parteien“ auf, ihn umgehend wieder abzuwählen. Der Ex-Christdemokrat Böhmer, der nur 24 Stunden vor der peinlichen Wahl im Rathaus der Festspielstadt aus der CDU ausgetreten war, machte seinen ehemaligen Parteifreunden in Bad Hersfeld schwere Vorwürfe.

Obgleich klar gewesen sei, daß seine Wahl nur mit den Stimmen der rechtsradikalen NPD-Abgeordneten möglich gewesen sei, habe die Partei ihn nominiert. Bei einer Ablehnung dieser Nominierung, so Böhmer weiter, hätte er seine Pensionsansprüche verloren. Böhmer: „Ich bin von der CDU verheizt worden.“

Daß Böhmer jetzt auf Abwahl drängt, hat seinen Grund. Wird er durch die Stadtverordneten abgewählt, behält er seine Pensionsansprüche - im Gegensatz zu einem Rücktritt, den SPD und Grüne auf ihren Landesparteitagen am vergangenen Wochenende gefordert hatten.

Auch Böhmers ehemaliger Landesvorsitzender, der hessische CDU-Ministerpräsident Wallmann, sprach sich (nach der Einbringung eines Antrags der Grünen gegen die Bad Hersfelder Verhältnisse im Landtag), für eine „Korrektur“ des Bildes aus, das nach der Wahl Böhmers in der Öffentlichkeit entstanden sei. Wallmann wörtlich: „Es gibt keine Zusammenarbeit zwischen CDU und NPD. Niemand von uns wird eine solche Zusammenarbeit unterstützen.“

Das sieht Noch-Bürgermeister Böhmer allerdings anders. Die treibende Kraft bei dem Wahlbündnis CDU/NPD sei nämlich Wallmanns Staatssekretär im Innenministerium, Reinhold Stanitzek, gewesen. Zusammen mit der Bad Hersfelder CDU -Fraktionsvorsitzenden Ursula Gessler hätte er die ganze Sache eingefädelt. Politische Delikatesse am Rande: Staatssekretär Stanitzek (CDU) ist im Innenministerium zuständig für den Verfassungsschutz und somit auch für die Überwachung der neofaschistischen NPD. Für den Fraktionsvorsitzenden der Grünen im hessischen Landtag, Joschka Fischer, „ein Skandal von besonderer Qualität“.

Ministerpräsident Wallmann habe sich vor dem Landtag umgehend zur Rolle von Stanitzek in Bad Hersfeld zu erklären. Falls die Vorwürfe gegen Stanitzek stimmten, habe Wallmann mit der Ernennung Stanitzeks zum Staatssekretär den „Bock zum Gärtner gemacht“. Das wäre nicht das erste Mal, hatte sich doch erst jüngst herausgestellt, daß der Leiter der Abteilung Rechtsradikalismus im Bundesamt für Verfassungsschutz Mitglied der REPs ist.

In Bad Hersfeld selbst ist gleichfalls der hessische Löwe los. Die CDU-Abgeordnete Göttel-Kurth (30) trat nach dem Wahlbündnis CDU/NPD aus ihrer Partei aus, um künftig als parteilose Abgeordnete das „Zünglein an der Waage“ spielen zu können. CDU und NPD haben somit keine Mehrheit mehr im Stadtparlament.

Rein zahlenmäßig könnten SPD und Grüne den Bürgermeister jetzt zusammen mit der Abgeordneten Göttel-Kurth auch ohne die Stimmen der CDU abwählen. Die Fraktionslose erklärte allerdings, er wäre schade, wenn Böhmer nicht Bürgermeister bleibe. Trotzdem haben die Grünen einen Abwahlantrag vorbereitet. Da auch die SPD mitziehen will, kann bereits für den 12.Oktober eine Sondersitzung einberufen werden. Wie es jetzt aussieht, wäre aber für eine Abwahl immer noch eine Stimme aus der CDU erforderlich.

Der Magistrat der Stadt Bad Hersfeld hat inzwischen Strafanzeige gegen den Landesvorstand der Grünen erstattet, weil der am vergangenen Sonnabend zur unangemeldeten Demonstration gegen das schwarz-braune Bündnis aufgerufen hatte (taz vom 2.3.). Nach Informationen der taz der Beschluß mit Hilfe zweier SPD-Mitglieder zustande.