Informieren über den Gang ins Ende

■ Rene Dumont, grüne Eminenz der Franzosen, warnt in seinem neuen Buch vor dem Unweltkollaps

„In fünfzehn Jahren sind die Würfel gefallen“, ist Rene Dumont überzeugt. Der alte Vorkämpfer der französischen Umweltbewegung, der schon 1974, als an der Seine noch keine Wählerstimmen mit grüner Politik zu gewinnen waren, als ökologischer Präsidentschaftskandidat gegen Mitterrand und Giscard d'Estaing antrat, hat jetzt, im Alter von 84 Jahren, ein neues Buch vorgelegt. Immer noch als Aufklärer und Mahner, aber fest davon überzeugt, daß es „sehr bald zu spät“ sein wird, fordert er darin Direktmaßnahmen zu einer ökologischen Umkehr.

Dumont, Geburtsjahr 1904, hat ganze Generationen von Franzosen mit Aufklärung bedacht. In den 30er Jahren erschienen seine ersten Bücher über den Reisanbau im Tonking -Delta, es folgten Veröffentlichungen über die sowjetische Kolchosenwirtschaft, die Armut in Afrika, die Entkolonialisierung Chinas und die Unterentwicklung der lateinamerikanischen Landwirtschaft, um nur einige zu nennen. 1974 stieß der Präsidentschaftskandidat Dumont seine Landsleute mit einer kämpferischen Wahlkampagne auf die Grenzen des Wachstums.

Nach mehr als 30 Büchern über Pazifismus, tierremondisme und Ökologie, zeichnet er in Mes Combats (Meine Kämpfe) eine düstere Vision der kommenden Welthungerkatastrophe. Der Treibhauseffekt ist zu seiner größten Sorge geworden. Dessen Folgen hat er in den letzten Jahren in Indien, China, Bangladesch, in Westafrika, Tunesien, Ägypten und Mexiko beobachtet. In diesen Ländern hat der ausgebildete Agronom immer wieder als landwirtschaftlicher Berater gearbeitet. Jetzt beobachtet er dort länger werdende Trockenheitsperioden und Stagnation oder sogar den Rückgang der Nahrungsmittelproduktion.

Das Auto - Planetenkiller Nummer eins

„Wir müssen die Menschen darüber informieren, daß wir auf den Tod zugehen“, wiederholt Dumont bei seinen zahlreichen öffentlichen Auftritten und in seinen Briefen an die Mächtigen dieser Erde. „Wir“, sagt er und steht dabei doch ganz allein. Selbst von den französischen Grünen, „Les Verts“, für die er zuletzt bei den Europawahlen auf dem symbolischen 81. und letzten Listenplatz kandidierte, fühlt er sich nur teilweise verstanden. „Sie sind nicht radikal genug“, klagt er. „Sie haben es abgelehnt, über die Frage des Autos zu sprechen, weil sie Angst hatten, Stimmen zu verlieren.“

Doch gerade das Auto ist für Dumont die Öko-Gefahr Nummer eins. Dessen Kohlendioxid-Emissionen nennt er „wichtiger und gefährlicher als die Kernenergie. Und: Sie betreffen vor allem die Dritte Welt“. Nur ein radikales Programm, das den Individualverkehr einschränken und die verbleibenden Autoabgase verringern würde, könnte Einhalt bieten. Der alte Kämpfer fordert aber nicht die totale Abschaffung des Autos, dazu ist er zu sehr „Realo“, wie er sich selbst bezeichnet. Vielmehr müßten bis zum Jahr 2000 die Benzinpreise auf mindestens vier Mark erhöht und der Bau von Autos, die mehr als fünf Liter Kraftstoff auf 100 Kilometern benötigen, verboten werden.

Notfalls kämpfe ich

alleine weiter

Aber Dumont fordert mehr als die Ablehnung des Autos: Integraler Pazifismus, Ablehnung der Force de Frappe, Solidarität mit der Dritten Welt, Abbau der Schuldenlast, zählt er seine Essentials auf, „ohne die es nicht mehr lange geht“.

Bündnispartner sucht Dumont trotz aller Kritik weiter bei den Grünen - in Frankreich, wie auch in der Bundesrepublik. Die traditionellen Linksparteien haben für ihn restlos abgewirtschaftet. „Der Fortschrittsglauben der französischen Kommunisten und die völlige Ignoranz der Sozialisten in Sachen Umweltpolitik haben sie zu Verrätern der Ideen der Linken gemacht.“ Wenn allerdings Antoine Waechter, der Chef von „Les Verts“, seine politische Standortbestimmung - „Wir sind weder rechts noch links“ - vorträgt, kommen dem 84jährigen manchmal Bedenken. Bei solchen Gelegenheiten sagt er sich: „Notfalls kämpfe ich alleine weiter - ich habe ja noch ein paar Jahre.“

Dorothea Hahn

Rene Dumont, Mes Combats. Ed. Plon, Paris, August 1989, ca. 30 DM