Der Pornojäger

■ Dokumentarfilm von Peter Heller: Di., 10.10., ARD, 23 Uhr

Er wühlt und wühlt, gleich einem Maulwurf, tiefer und tiefer. Was findet er? Nichts als Schmutz und Schund. Wenn Martin Humer nachts auf „Schweinszug“ durch die Innenstädte streift, lassen die Besitzer der Sexkinos, Peep-Shows und Pornoläden die Rolläden herunter oder rufen gleich die Polizei. Denn der eifrige „Pornojäger“ bekämpft seit fast zwanzig Jahren mit seiner „Österreichischen Bürgerinitiative zum Schutze der Menschenwürde“ die Pornoindustrie - mit Strafanzeigen, Psychoterror oder gar in Selbstjustiz. Dabei ist der selbsternannte „Staatsanwalt des Volkes“ nicht gerade zimperlich; der Dorffotograf, der sonst auf Hochzeiten und Trachtenfesten den braven Bürger herauskehrt, wird zum Rächer, sobald auf Hochglanz oder Zelluloid Nacktes aufblitzt.

Mit der Gaspistole gegen einen Peep-Show-Kassierer soll er schon vorgegangen sein, beweisen konnte man es ihm allerdings nicht, und eine Fuhre Jauche haben seine Mitstreiter in ein Etablissement abgekippt - alles im Namen Gottes und mit einer beachtlichen Portion Fanatismus.

Wer so hemmungslos haßt, muß einen Erzfeind haben. Humers Kontrahent, der steinreiche Pornoverleger Peter Janisch, ist dem Moralapostel in jeder Hinsicht ebenbürtig, kämpft er doch - von Humer mehrfach in den Konkurs getrieben - ebenso verbissen und unermüdlich gegen den Pornojäger. Da darf auch der Sohn des Hard-Core-Herstellers nicht zurückstehen, seit Jahren fotografiert er den Peiniger seines Vaters, rückt Humers Konterfei als aufgezogene Foto-Pappkameraden in die Auslage der Sexgeschäfte, darauf hoffend, daß Humer auf diese Weise diskreditiert wird.

Soweit wäre Peter Hellers Film eine vergnügliche Groteske, ein Blick in die Abgründe pornographische Perversitäten und in die nicht minder abstrusen Phantasien des Moralpredigers. Das Ave Maria vor jedem Feldzug gegen die Unzucht, die Biedermeierlichkeit im holzgetäfelten Wohnzimmer des Pornoverlegers, das anrührende Zitherspiel Humers und die frommen Jungfern, die Humer immer als Zeugen in die Vorführkabinen mitschleppt; nichts läßt Peter Heller aus, um uns die Absurdität der Situation zu verdeutlichen.

Bliebe der erbarmungslose Zweikampf auf die beiden Streithähne beschränkt, könnten wir schmunzelnd zu Bett gehen. Aber leider hat auch diese Realsatire einen ernsten Hintergrund, der einem nicht mehr egal sein kann. Stolz zeigt Martin Humer eine Sektflasche her, die er köpfte, als seine Bürgerinitiative 1983 erreicht hatte, daß Achternbuschs Gespenst beschlagnahmt wurde. Da verrät sich rechter Ungeist, und schnell ist der propere Mann mit rechtsradikalen Sprüchen zur Hand.

Peter Heller versteht es, in diesem schwierigen Bereich gesellschaftlich legitimierter Pornographie die Balance zu halten. Im Grunde genommen entlarvt er beide, den Pornojäger und seinen Intimfeind, als Spießbürger, die so fern gar nicht sind. Während der eine von einer Lusteuphorie spricht, in der „unser Volk“ untergehen wird, und der andere von der sexuellen Freizügigkeit faselt, meinen beide dasselbe: Unterordnung. Askese oder Peitsche, das ist dann nicht mehr die Frage. Jeder will die Lust unter sein Diktat stellen. Da wird plötzlich auch der Untertitel von Hellers Film klar: eine Hatz zwischen Lust und Politik.

Christof Boy