: Medien als Klammer zwischen Ost und West?
■ 'Tass'-Generaldirektor verspricht Liberalisierung auf den Münchner Medientagen / RTL plus fordert „grenzenlose“ Werbezeiten
München als „kreativen Gegenpol zur Medienbürokratie in Brüssel“ zu etablieren, wollte Manfred Purzer, Geschäftsführer der Münchner Gesellschaft für Kabelkommunikation (MGK) und Veranstalter der Medientage München heuer noch nicht so ganz gelingen. Mit seinen westeuropäischen Referenten Helmut Thomas (RTL plus), Paul Fox (BBC) und Michel Berthod vom französischen Kommunikationsministerium holte er sich genau die Auseinandersetzungfum die EG Rundfunk-Richtlinie ins Haus, die er so gern zugunsten einer kommerziell-kreativen Diskussion vermeiden wollte. Berthod setzte sich zwar für ein geminsames Medienunternehmen Eureka ein, das als audiovisueller Partner z.B. gegenüber den USA auftreten könnte, beschwor aber auch hier die Lösung aller Probleme über Quotenregelungen. Innerhalb der EG solle jedes Land seine Medien-Subventionspolitik selbst bestimmen, jedoch auch offen für Coproduktionen sein. Von diesem „Quotenfetischismus“ wollte jedoch Helmut Thomas (RTL plus) endlich Abschied nehmen, da er sich zunnehmend als Farce erweise und angedrohte Zwangsmaßnahmen der Kontrollinstanzen sich mit Sicherheit als wirkungslos erweisen würden. Er verglich den festgeschriebenen Medienföderalismus mit dem Stand der Wirtschaft vor dem Deutschen Zollverein und plädierte für europäische Coproduktionen nationaler und regionaler Couleur. Wobei aber bitte endlich darauf zu achten sei, daß die Filme öfter als nur einmal nach 45 Minuten durch Werbung unterrochen werden könnten.
Paul Fox (BBC) konnte im europäischen Eureka-Projekt für sein Land nur Vorteile technischer Art finden. Zudem könne Großbritannien aber auch eine Vordbildfunktion für den Kontinent übernehmen, denn hier setze die BBC weiterhin die Standards für das britische Fernsehen fest, so daß die Privaten qualitativ nachziehen müßten.
Ähnlich wie Edmund Gruber, der seinen Deutschlandfunk als Mittel zum grenzüberschreitenden Dialog zwischen den europäischen Völkern begriff, stellte György Varga vom ersten ungarischen kommerziellen Touristensender „Radio Danubius“ sein Mediem als Klammer zwischen Ost und West dar. Die gesellschaftlichen Veränderungen hätten in Ungarn zur vermehrten Einrichtung von lokalen Radio- und TV-Stationen geführt, weil gesellschaftliche Demokratie nicht ohne lokale Öffentlichkeit möglich sei.
Unbestrittener Star des Kongresses aber war Leonid Kravtschenko, Generaldirektor der 'Tass‘, Moskau. In seinem ausführlichen Vortrag ging er auf die rasante Perestroika im Medienbereich ein, die die Politik Gorbatschows mit vorantreibe. Diese Offenheit habe über den Abbau von Feindbildern auch zur internationalen Entspannung wesentlich beigetragen. Durch die liberalisierte Berichterstattung sind die sowjetischen Medien nun zu wirklichen Konkurrenten für die amerikanischen und europäischen Auslandssender im Informationswettbewerb geworden. Im sowjetischen Einparteiensystem komme nun der Presse die Aufgabe der gesellschaftlichen Kritik und des Kampfes „gegen die administrativen Kommandomethoden der Leitung, gegen Bürokratismus und Machtmißbrauch“ zu. Zu dieser Liberalisierung nach innen gehöre auch eine zunehmende Zusammenarbeit mit westlichen Medien. So wird der amerikanische Nachrichtenkanal CNN in absehbarer Zeit in Moskau zu empfangen sein, Journalistenaustausch zwischen einem georgischen und einem amerikanischen TCV-Sender werden bereits institutionalisiert und mit einer kommerziellen britischen Radiostation laufen Gespräche über einen gemeinsamen Sender.
Auf einer anschließenden Pressekonferenz kündigte Kravtschenko ein neues Zeitungsgesetz an, das den Journalisten angesichts der Tragweite ihres Einflusses auf Leser und Schreiber unter anderemn ein Einspruchgsrecht gegen Weisungen von Vorgesetzten und das Recht auf Gegendarstellung zu redaktionell veränderten Texten einräumt. Der Artikel 1 wird lauten: „Die Medien sind frei und unterliegen keinerlei Zensur.“
sam
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