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FREILASSUNG ALLER HAFTUNFÄHIGEN GEFANGENEN

■ Günter Sonnenberg muß raus!

Über Günter Sonnenberg ist schon viel geschrieben worden von seinen Ärzten, seinen Anwälten, seinen Freunden. Eigentlich ist alles gesagt.

Haftunfähig nach zwölf Jahren Isolation. Er war es von Anfang an. Am Tag seiner Verhaftung in den Hinterkopf geschossen, gezielt getroffen von einem Geschoß, das nicht kampfunfähig machen, sondern verletzen sollte. Mutmaßlich sogar töten. Er bekam, was zunächst alle in solchen Fällen bekommen würden: eine medizinische Erstversorgung. Und schon da gab es Ärzte, die nicht ihrem hippokratischen Eid folgten, sondern sich nach eigenen Angaben in erster Linie als Landesbeamte sahen und daher ganz offensichtlich auf „Weisung von oben“ handelten. So wurde dem Patienten Günter Sonnenberg verweigert, was jedes derart Schwerverletzten Recht gewesen wäre: Pflege und Behandlung auf der Intensivstation einer Spezialabteilung für Schädel -Hirntraumen. Ihn brachte man auf die Krankenstation nach Stuttgart-Stammheim. Die Berichte seiner Anwälte vermitteln heute noch immer klar und unmißverständlich den Vernichtungswillen hinter jeder der damaligen Handlungen beziehungsweise Unterlassungen.

Die Hoffnung der Verantwortlichen, der Gefangene würde die als tödlich geplanten Schüsse nicht überleben, erfüllte sich nicht. Auch der Versuch, ihn durch Unterlassen jeglicher Rehabilitationsmaßnahmen zu kretinisieren, schlug fehl. Außerdem gab Günter selbst dann nicht auf, als man den Unterlassungen noch die knastüblichen Aktionen hinzufügte: Isolation und zerstörerische, menschenverachtende Sonderhaftbedingungen. Günter setzte jeder der perfiden Maßnahmen seine ganze Kraft entgegen und kämpfte um sich und um sein Leben. Ein Leben, das für ihn immer schon mehr gewesen war als nicht tot zu sein.

Seine Ankläger und Richter beobachteten seinen Kampf mit tausend Augen. Jeden kleinen Fortschritt beantworteten sie mit einer neuen Schikane. Jeder kleine Erfolg vertiefte ihre persönliche Feindschaft zu dem Kämpfenden. Aus der eigenen Entfremdung heraus zu einer solchen übermenschlichen Leistung unfähig und ebenso unfähig, sie zu begreifen, lieferte sie ihnen die Einzelteile für das Puzzle vom unbelehrbaren, gefährlichen RAF-Mitglied Günter Sonnenberg, das nicht abschwören und sich nicht resozialisieren lassen will.

Prozeßfähig erklärt vom Gericht, das sich gegen vier medizinische Gutachter zu dieser Diagnose berufen fühlte, verurteilte man Günter Sonnenberg zu lebenslänglich dafür, daß er sich seiner Verhaftung zu entziehen versucht hatte. Lange bevor sie ihn dann wirklich verhafteten und dabei so schwer verletzten. Der Tag, an dem sie ihn von hinten zu erschießen versuchten, kam im Prozeß gar nicht mehr vor. Und auch sonst nichts, mit dem das Urteil zu begründen gewesen wäre.

Also: Lebenslänglich. Nach ihrer Moral ist er selbst schuld, wenn er noch nicht draußen ist. Denn wie ihre Lebenserfahrung sie lehrt, müßte er längst kaputt sein, wenn er am Vollzugsziel mitarbeiten würde, statt zu kämpfen.

Gegen ihre Menschenverachtung hat Günter als einziges Mittel sich selbst und seine Kraft eingesetzt. Das allein macht ihn in ihren Augen „haftunfähig“. Für ihren Justizvollzug, den sie „als Dienst am Menschen“ bezeichnen.

Aufruf für eine Kundgebung vor dem Justizministerium in Stuttgart für die Freilassung von Günter Sonnenberg!

Unsere Kraft hat im Hungerstreik der Gefangenen aus RAF, Widerstand und allen kämpfenden Gefangenen nicht ausgereicht, um die Freilassung von Günter Sonnenberg zu erreichen. Aber auch nach dem Hungerstreik geht es für uns unter dem Motto „jetzt lassen wir nicht mehr los“ weiter. Deshalb sollen jetzt im Abstand von einem Monat Kundgebungen vor dem Justizministerium in Stuttgart stattfinden, um Druck auf die Verantwortlichen in Baden-Württemberg auszuüben, damit Günter freikommt.

Kundgebung: Freitag, 13.10.89,

13 Uhr, vor dem Justizministerium in Stuttgart, Schillerplatz

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