: VHS-Wedding zwischen allen Stühlen
■ Warum eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Gastarbeiter oder Mitbürger? Ausländerpolitik am Scheideweg“ nicht stattfindet / Ein Vertreter der „Republikaner“ war eingeladen worden, aber keinE AusländerIn / VHS-Mitarbeiter bezichtigt AL der „grün-braunen Koalition“
Getreu dem Motto: „Sag mir, mit wem du redest, und ich sage dir, wessen Geistes Kind du bist“, hat sich die Volkshochschule Wedding zwischen alle Stühle gesetzt. Weil sie für heute zu einer Veranstaltung über Ausländerpolitik auch einen Vertreter der „Republikaner“ eingeladen hatte, wird die VHS von den verschiedensten Organisationen nun verdächtigt, Steigbügelhalter der REPs und dazu noch ausländerfeindlich zu sein. Die Veranstaltung ist inzwischen abgesagt, der Streit, wer mit wem reden darf, geht weiter.
Stein des Anstosses ist die Zusammensetzung des Podiums. „Wir haben zum Thema des Ausländerwahlrechts Vertreter aller Fraktionen des Abgeordnetenhauses eingeladen, da zu diesem Punkt, sowohl innerhalb der Koalition als auch innerhalb der Opposition, unterschiedliche Positionen vertreten werden“, erklärte dazu der Leiter des Fachbereichs Politik an der VHS, Gerhard Meck.
Deshalb wurden Ende August neben Heidi Bischoff-Pflanz (AL), Jürgen Lüdtke (SPD) und Barbara John (CDU) auch der damalige Parteivorsitzende der „Republikaner“, Andres, eingeladen.
Dies rief sofort das „Bündnis gegen Rassismus, Faschismus und Sexismus“ sowie Weddinger Antifa-Gruppen auf den Plan. „In diesem angeblichen demokratischen Pluralismus der VHS sehen wir die Gefahr, daß die gesellschaftliche Akzeptanz der REPs immer größer wird und dies ihrer Strategie der Intellektualisierung der Partei entgegenkommt. Wir wehren uns dagegen, den REPs eine Plattform für ihre rassistische Hetze zur Verfügung zu stellen, wie das die Volkshochschule tut“, so eine organisierte Weddinger Antifaschistin, die namentlich nicht genannt werden möchte.
In einem Flugblatt kündigte die „Antifaschistische Aktion“ an: „Wir werden diese Veranstaltung so nicht dulden! Den REPs darf kein Raum für ihre Angriffe gegen AusländerInnen, Frauenrechte und Gewerkschaften gelassen werden! Wir werden statt dessen den Raum für eine solidarische Diskussion von und mit betroffenen Menschen schaffen!“
Diesem Alleinvertretungsanspruch der „Antifaschistischen Aktion“ um das Wissen der richtigen Diskussionsform im Kampf gegen die „Republikaner“ möchte die AL zwar so nicht folgen, machte aber am 4.Oktober ihre bereits gemachte Zusage wieder rückgängig. „Für uns war die Teilnahme eines 'Republikaners‘ an der Diskussionsveranstaltung nicht ausschlaggebend“, begründete Pressesprecher Noe die Absage. „Wir stellen uns den REPs jederzeit in einer Diskussion, um die Hohlheit ihrer Argumente öffentlich zu machen. Da unterscheiden wir uns in der Strategie des Umgangs mit den 'Republikanern‘ von den Antifa-Gruppen.“ Einzig und allein die fehlende Ausländerin auf dem Podium sei ausschlaggebend gewesen. Die AL-Wedding sieht die Dinge allerdings anders. In einem offenen Brief teilt sie ihren Unvereinbarkeitsbeschluß mit: „Eine Teilnahme an der Podiumsdiskussion käme für uns nur in Betracht, wenn diese ohne Beteiligung der 'Republikaner‘ stattfände.“ Das hätte sie ohnehin, denn die vom Spaltpilz gebeutelten „Republikaner“ sahen sich nicht einmal in der Lage, die Einladung zu beantworten. Von einer „grün-braunen Koalition der Stimmungsmache“ sprach daraufhin VHS-Leiter Meck und sagte die Veranstaltung ab.
Die Ausländerbeauftragte Barbara John versteht indes die ganze Aufregung nicht. „Augenblicklich steht die Ausländerintegrationspolitik auf der Kippe. Die Polarisierung darf nicht noch weiter getrieben werden. Die Verhaltensweisen, die zur Absage der Veranstaltung führten, verschärfen das Klima nur.“ Verwundert ist Frau John über die Inflexibilität der AL. „Es wäre für die AL kein Problem gewesen, das Podium ad hoc nach ihren Vorstellungen zu besetzen.“
Die SPD-Wedding bedauert das. „Es ist eine Strategiefrage, wie man mit den Rechtsradikalen umgeht. Demos verschaffen den REPs augenblicklich nur einen Märtyrerstatus“, ist Volksbildungsstadtrat Bernd Schimmler überzeugt. Er verweist auf die Erfahrungen, die er im Umgang mit den „Republikanern“ sammelte. „In einer Weddinger Schule diskutierten vor kurzem über 200 siebzehn- bis achtzehnjährige Schüler mit Carsten Pagel über Deutschlandpolitik. Es war fantastisch zu erleben, wie sie den angeblich intellektuellen Kopf der Partei in seiner ganzen Plattheit vorführten.“ Sinn machen für Bernd Schimmler Veranstaltungen dieser Art allerdings nur, wenn sichergestellt ist, daß die „Republikaner“ in ihrer Menschenverachtung demaskiert werden könnten.
Auch von seiten des Immigrantenpolitischen Forums bezog die VHS-Wedding Prügel. „Wir kritisieren scharf die Durchführung einer Diskussionsveranstaltung unter der Fragestellung 'Gastarbeiter oder Mitbürger?‘ durch die VHS-Wedding.“ Allein die Fragestellung der Podiumsdiskussion suggeriere, daß die Arbeitseinwanderer auch nach über 25 Jahren der Anwerbung noch Gäste seien, die man nach Bedarf wieder wegschicken könne. Die Alternative „Mitbürger“ im Veranstaltungstitel täusche darüber hinweg, daß sie die dafür nötigen Bürgerrechte noch gar nicht hätten.
Der Zorn und Protest trifft allerdings eine Einrichtung, die sich seit Jahren in geduldiger Kleinarbeit der antifaschistischen Bildungsarbeit widmet und immer wieder versucht, mit ihrem Kursangebot Wege in die multikuturelle Mündigkeit aufzuzeigen. Angesprochen wird eine Klientel, die kaum etwas mit der Alternative des 'namenlosen organisierten Antifaschisten‘ anfangen kann, die da lautet: „Der Spruch heißt keinen Fußbreit den Faschisten. Was wir wollen, ist ein starkes Bündnis von ArbeiterInnen, Schwulen, Lesben, Frauen, Jugendlichen und ImigrantInnen, die sich den 'Republikaner‘ entgegenstellen.“
Die Diskussionsveranstaltung an der VHS-Wedding ist abgesagt, nicht aber die Gegendemonstration: „Jetzt schlägt's 13! AusländerInnenwahlrecht sofort!“ die am Freitag um 18Uhr am U- und S-Bahnhof Gesundbrunnen startet.
Eberhard Seidel-Pielen
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