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Schon wieder Suizid in der U-Haft

■ 27jähriger drogenabhängiger Untersuchungshäftling erhängte sich in seiner Zelle / Trotz Entzugserscheinungen die Aufnahme in Haftkrankenhaus verweigert

Gestern morgen wurde der 27jährige Häftling Hartmut K. tot in einer Einzelzelle in der Untersuchungshaftanstalt Moabit aufgefunden. K. hatte sich in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag mit einem Gürtel am Fenstergitter erhängt. Nach Informationen der taz hat es zuvor deutliche Anzeichen dafür gegeben, daß der drogenabhängige Mann auf Entzug war und sich deshalb in sehr schlechter Verfassung befand. Möglicherweise hätte er sich nicht das Leben genommen, wenn er im Haftkrankenhaus aufgenommen und dort ärztlich betreut worden wäre. Die Aufnahme im Haftkrankenhaus war Hartmut K. jedoch mit der Begründung verweigert worden, es lägen „keine medizinischen Auffälligkeiten“ vor. Die Verlobte des Verstorbenen kündigte gestern eine Strafanzeige wegen unterlassener Hilfeleistung und fahrlässiger Tötung an.

Hartmut K. war Montagnacht in Tempelhof wegen des Verdachts festgenommen worden, mit mehreren Kilos Haschisch gehandelt zu haben. Bei seiner Vorführung beim Haftrichter in der Gothaerstraße hatte er am Dienstag im Beisein seines Rechtsanwalts, Harald Remee, wörtlich zu Protokoll gegeben: „Ich habe in letzter Zeit Heroin genommen und habe jetzt erhebliche Kreislaufbeschwerden. Ich fühle mich sehr schlecht. Ich habe Angst davor, beim Aufstehen umzufallen. Ich bitte darum, in die Krankenabteilung der JVA Moabit verlegt zu werden, falls ich verhaftet werde.“ Daraufhin hatte der Haftrichter in dem an die U-Haftanstalt Moabit gerichteten Aufnahmeersuchen eigens vermerkt, daß Hartmut K. „sofort“ einem Arzt vorzustellen sei. Nach Angaben des Abteilungsleiters für Strafvollzug in der Justizverwaltung, Christoph Flügge, war Hartmut K. auch in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch von der Gothaerstraße zur Untersuchung ins Haftkrankenhaus gebracht worden. Dort hätten die Ärzte jedoch festgestellt, daß sich sein Kreislauf wieder „stablisiert“ habe, woraufhin er wieder zurück in die Gothaerstraße gebracht worden sei. Auch am Mittwoch, als er in eine Einzelzelle in der U-Haft verlegt wurde, seien keinerlei medizinische Auffälligkeiten festgestellt worden, erklärte Flügge mit Hinweis darauf, das ihm dies zumindest so berichtet worden sei. Dem Todesfall werde aber noch „intensiv“ nachgegangen.

Rechtsanwalt Remee bezeichnete es gestern als „unglaublich“, daß sich die Ärtze des Haftkrankenhaus geweigert hatten, seinen unter heftigen Entzugserscheinungen leidenden Mandanten aufzunehmen. Nach Angaben des Rechtsanwalts ist dies jedoch keineswegs der erste Fall, in dem Gefangenen mit einer akuten Drogenproblematik ihren Entzug allein auf der Zelle ausschwitzen müssen: „Das sind untragbare Zustände“, wetterte Remee.

plu

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