: Datenschutz hinkt der Technik hinterher
■ Tagung über neue Informations-Technologien: Die Bundespost ist datenschutzfeindlicher als das Bundeskriminalamt
„Die Technik ist dem Datenschutz davongelaufen“, keineR weiß das besser als das kleine Häuflein der berufsmäßigen DatenschützerInnen. Ihre Datenschutzgesetze, Anfang der 70er Jahre formuliert, sind Ende der 80er schon wieder hoffnungslos veraltet. Wer beispielsweise hat damals vorausgesehen, daß Daten nicht nur in Großrechnern, sondern in -zigtausenden von PC in Privatwohnungen gespeichert werden können. Daß die Polizei ihre Viedeoaufnahmen in ihre kriminalistischen Rechner einspeisen und somit vernetzen würde? Oder daß das „Pay-TV“ eingeführt wird, mit der Möglichkeit, zentral abzurechnen und zentral
Profile der einzelnen FernsehkonsumentInnen zu erstellen. Oder wer ahnte, daß EGweit Grenzkontrollen abgeschafft und dafür neue grenzüberschreitende Informationssysteme aufgebaut werden. Oder daß Großbetriebe mittels Informationstechnologien ihre Lager abbauen und eine konsequente „just-in-time-Produktion“ aufbauen, also den Zulieferbetrieben ihre Produktionszeiten vorschreiben, sodaß deren Betriebsräte jeglicher Mitbestimmungsrechte beraubt werden?
All diese neumodernen Entwicklungen werden argwöhnisch von einer kleinen Gesellschaft mit nur hundert Mitgliedern beobachtet. In dieser „Gesellschaft für
Rechts-und Verwaltungsinfor matik e.V.“ sind organisiert MitarbeiterInnen der Landesämter für Datenschutz, Informatikprofessoren und vereinzelte JuristInnen. Ihre Jahrestagung hielte diese Gesellschaft gestern und vorgestern in Bremen ab - mit dem Thema „Riskante Systeme“.
Als einen der „härtesten Brocken“, der ihren Argumenten völlig unzugänglich ist, haben die DatenschützerInnen nicht das Bundeskriminalamt, sondern die Deutsche Bundespost ausgemacht. Ohne demokratische Gremien zu beteiligen, werde vom Postminister das digitalisierte dienstintegrierende Netz „ISDN“ eingeführt. Der Kasseler
Hochschullehrer Hans Brinckmann erläuterte, daß zwei europäische Nachbarländer Gefahrenquellen des ISDN nach vorheriger Debatte von vornherein ausgeschaltet hätten. In Österreich etwa gebe es die technische Möglichkeit nicht, zentral die „Verbindungsdaten“ aller FernsprechteilnehmerInnen zu speichern. In der Bundesrepublik werde es dagegen Usus sein, daß die telefonischen Kontakte aller TeilnehmerInnen einen Monat lang automatisch gespeichert sind und damit auch dem Zugriff der Nachrichtendienste und Polizeicomputer ausgesetzt seien. In Frankreich werde von vorneherein auch darauf verzichtet, das neue Fernsprechsystem so auszurüsten, daß jede AnruferIn zwangsweise ihre Nummer dort, wo sie anruft, auf einem kleinen Display zu erkennen geben muß („Vermummungverbot“ beim Telefonieren). Nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen in den Nachbarländern fordert Prof. Brinckmann, Vorsitzender der „Gesellschaft für Rechts-und Verwaltungsinformatik“: „Der
Datenschutz muß viel stärker in die Technikentwicklung einsteigen, in die Maschinerie hineingucken. Technisch verhindern, was man an Folgen nicht will.“ Brinckmann forderte, die Debatte um ISDN ganz neu aufzurollen. Auch die Industrie sei nicht glücklich darüber, wenn ihr Produkt „ISDN“ in der Bundesrepublik auf Vorbehalte stoße, nur weil die Bonner Auftraggeber sicherheitspolitisch hochgradig Bedenkliches bei dieser Technik mitgeliefert haben wollten.
Der Bremer Datenschutzbeauftragte Alfred Büllesbach warnte gleichzeitig davor, eine zu große datenschützerische Kontrolle über den Datenverkehr auszuüben, das könne in eine andere Form der Überwachung ausarten. Er forderte von der Bevölkerung „eine neue Kultur des Umgangs mit Daten“. Auch diejenigen, die PCs bei sich zu Hause stehen hätten, sollten sich der Risiken bewußt werden - etwa die LehrerInnen, die zu Hause Daten inklusive Noten ihrer SchülerInnen speicherten. Barbara Debu
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