piwik no script img

Wirtschaft bestimmt Politik-betr.: "Kein Fußbreit Erde", taz vom 4.10.89

betr.: „Kein Fußbreit Erde“,

taz vom 4.10.89

Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr läßt. In Hamburg läßt die Wirtschaft der Politik keinen Spielraum. In Hamburg bestimmt die Wirtschaft die Politik. Der Hamburger klein- und spießbürgerliche Filz ist nur das ausführende Organ. Die Wirtschaft hat mit der körperlichen Ausbeutung der Vorfahren der Roma und Sinti bis zu deren Tod durch Arbeit gute Geschäfte gemacht. Die Nachfahren der Ermordeten sind für die Wirtschaft unergiebig.

„Ich halte eine Beteiligung unseres Unternehmens an einer Gedenkstätte am Standort Hamburg-Neuengamme für wenig sinnvoll“, schrieb ein Beauftragter der Firma Continental an Jan Philipp Reemtsma, als dieser um eine Spende für die Gedenkstätte Neuengamme gebeten hatte. Weil die ihnen unterstellten ArbeiterInnen, so Continental, direkt aus Auschwitz beziehungsweise Ravensbrück gekommen seien. Und deshalb der Bezug zu Neuengamme allenfalls verwaltungstechnischer Art sei.

„Wir haben Ihren Vorschlag zur finanziellen Förderung der Gedenkstätte Neuengamme geprüft“, so Blohm&Voss, „sehen uns aber nicht in der Lage, ihm zu folgen.“ Zumal, so Blohm&Voss, an finanzielle Unterstützungen ein besonders strenger Maßstab gelegt werden müsse.

Durchgefallen der „Standort“ Neuengamme bei den früheren Ausbeutern der dort Inhaftierten wie HEW, Blohm&Voss, HDW, Continental, Rheinmetall, Deutsche Shell, Volkswagenwerk und wie sie alle heißen.

„Ein Polizeieinsatz auf dem Gelände des ehemaligen KZ Neuengamme“, schreibt am 15.September die 'Zeit‘, ist wohl selbst für den Hamburger Senat undenkbar.“ Doch Reemtsma kennt die Wirtschaftstäter besser, wenn er am 8.7.89 in der 'Frankfurter Rundschau‘ schreibt: „Sie lassen gewohnheitsmäßig nach dem Mord die Schändung der Ermordeten folgen.“

Durchgefallen in Hamburg also auch die Nachkommen der durch die obigen Konzerne Ermordeten. Es wird Zeit, daß diesen Tätern - den früheren und den heutigen - ins Handwerk gepfuscht wird.

Sandra Holler, Hamburg 73

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen