SÜNDER UNTERWEGS

■ Kae E, der Außerirdische, notzüchtigt die Langeweile

Manche Abende vermögen einen durch ihre völlige Substanzlosigkeit zu bezaubern. Gewöhnlich verbringt man sie willenlos vor dem Fernsehschirm; nach ein paar Stunden dann merkt man unversehens, daß man glücklich ist. Oder es gerade war. Etwas Ähnliches passierte im „Atelier Internationale Kunst“. Zu Gast war Kae E, „Weltreisender aus dem 39. Jahrhundert, Tourist in unserer Zeit“, zeigte possierliche Super-8-Filme über sein hiesiges Fremdenverkehrstreiben, las aus seinem 1985 erschienenen Büchlein vor und machte auch noch leicht regressive Musik. Begleitet wurde er dabei von seinem „persönlichen Steward, Cabel“, einem fahrbaren Kabelkasten mit einer Art U-Bootguckloch und „Gabo“, einem netten Mädchen aus der Nachbarschaft; deren mit einem Projektor an die Dialeinwand projizierten harmlosen Bildchen - „nicht wirkliche Menschen sondern flüchtig hingemachte Männer“ (Daniel Paul Schreber-) - seine Geschichten illustrieren sollten.

Häufig stellt sich Ernst Deuker, d.i. Kae E., vor öffentliche Einrichtungen und winkt, was er gut kann; in Duisburg, Trier, Basel, Zürich, Frankfurt, selbst in Paris hat er gewunken und das belegt er mit Photos. Neulich habe ich ihn vor der AGB gesehen und gedacht, das ist mal wieder so ein ganz Peinlicher, wei er auch noch so merkwürdige Vorrichtungen umgebunden hatte. Offensichtlich ist das aber Kunst, was er sich 1984 mit Rückgriff auf die Schlagerbewegung der frühen 80er ausgedacht hatte und heute wiederholt. Ausgedachte Kunst, die er als („Wir sind die Fans/ von Egon Krenz“, O-Ton FDJ) von Douglas S. Adams „per Anhalter durch die Galaxis“ mit dementsprechenden Texten unterlegt; Texte, die oberflächlich sein und mit einer nie empfundenen Langeweile kokettieren wollen und doch nur eigenes Desinteresse, Mangel an Fragen dokumentieren können. Es ist also wie im Fernsehen.

Ein Filmchen zum Beispiel soll die langweiligste Party zeigen - Deukers 15 FreundInnen gehen beständig murmelnd im Kreis, Mann & Frau stehen daneben, unterhalten sich über die vier Möglichkeiten Ma(e)i(y)er zu schreiben & prüfen das & zählen sie im Telefonbuch. Eigentlich ist das natürlich interessant und schön, vielleicht meditativ! Nicht der Film, aber die gezeigte Tätigkeit. Der Film selber ist langweilig, weil er Deukers ausgedachte Vorstellungen von Langeweile abbilden will. Oder ständiges Ausdemfensterguckendes Zugfahren zwischen Berlin und Köln - also so ungefähr die vorläufig wunderschönste Traumzeitbeschäftigung, die man sich so vorstellen kann - wird als krönendsinnlose Tätigkeit eines Sich-Langweilen-wollen präsentiert. Und peinlich wird es - Deuker fehlt für gewöhnlch selbst dies letzte Zeichen von Lebendigkeit - wenn Warhol (offensichtlich gut und Vorbild) und Tarkowskij (klarer Fall: doof) - als Urväter der avantgardistischen Langeweilenkunstbewegung genannt werden. Letztendlich war es vielleicht so wie der Besuch bei einer kunstinteressierten Professorenfamilie, wie ein Konzert irgend welcher Heavy-Metall-Pastoren (die gibts's tatsächlich), irgendwie weiß man, die sind nicht ganz dicht, irgendwie findet man sie nett, zunächst gereizt gerät man schließlich in eine produktive Distanz zu sich und der Umgebung: der Fernseher wird nicht ausgeschaltet, man geht nicht nach der Pause.

Detlev Kuhlbrodt

Kae E im „Atelier Internationale Kunst“, Dahlmannstr. 1/19, heute abend 20 Uhr, „Der Autor und sein persönlicher Steward, Cabel, Android, werden anwesend sein“.