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Vorlauf: Mach mir den Hengst

■ Atoll - Inselfrage an Prominente

(Atoll - Inselfrage an Prominente, ARD, 15.03 Uhr) Endlich. Die ARD hat die mustergültige Entsorgung der Bildschirmprominenz entwickelt. Denn jeder Art des Prominenten-Recyclings sind natürliche Grenzen gesetzt. Blacky Fuchsberger kann einmal bei „Verstehen Sie Spaß?“ mitmachen und Kurt Felix bei „Wetten daß“ auftreten, während Thomas Gottschalk als Gast bei Frank Elstner anklopft, wenn er nicht gerade bei RTL plus die Nase vorn hat. Aber irgendwann ist Schluß mit den gegenseitigen Hausbesuchen. Was dann? Dann erhebt sich ein Rentner namens Heinz Schenk von seinem Altenteil, läßt Bembel und Äppelwoi daheim und verfrachtet die ganze Bagage auf eine einsame Insel. Bevor die Promis aufs „Atoll“ verbannt werden, dürfen sie noch die Inselfrage beantworten und einen liebgewonnenen Gegenstand einpacken, dann kann die Robinsonade beginnen. Schade, schön hätte es werden können, mit ein paar Abschiedstränen für Jürgen mit der dicken Lippe und für Kulenkrampf, für Rainer Hohle, Karl Drall und Thomas Geldsack. Aber leider finden sich einsame Inseln heutzutage nur noch im Märchen, deshalb ist die neue Sendung Atoll wieder nur ein Versuch gelungener Fernsehunterhaltung und die Frage „Was würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?“ bloß eine hypothetische. Die Fernsehlieblinge bleiben uns also noch länger erhalten, und wir können sie im Fernsehzoo weiter im Gehege beobachten.

Trotzdem ist Atoll ein herzerfrischendes Kuckucksei im Nest derjenigen Fernsehprogrammacher, die 'Neue Post' -LeserInnen den siebten Himmel deutscher Klatschkunst versprechen und dann nur Tratsch dritter Klasse liefern. Unfreiwillige Realsatire vom feinsten gibt es auf dem Atoll, oder kann man sich etwas Schöneres vorstellen als zu erfahren, wie oft Dagmar Berghoff zur Krebsvorsorge geht? Und wieviele Kartoffelsorten der Bauernfänger Constantin Freiherr von Heeremann aufzählen kann, ohne nur einmal zu stocken? Würde es Kurt Felix billigen, wenn seine Paola oben ohne auftreten würde? Und welches Tier möchte der Freiherr gerne sein? „Ich glaube, ein Krokodil, um Herrn Kiechle zu fressen“, rät die showbegeisterte Tagesschau-Sprecherin, aber der Bauernpapst will nur „ein schönes Pferd“ sein. Ein Hengst gar, damit wir noch mehr zu wiehern haben. Aber nein, das Studiopublikum bleibt dabei gänzlich ungerührt, steht an der Reeling der Andrea Doria, die im Hintergrund aufgebaut ist, und sieht hinunter auf das Eiland mit Plastikpalmen, Papageien und Prominenten. Daß die Zuschauer nicht lachen könne, liegt einfach daran, daß sie nichts verstehen. Der WDR hatte zur Aufzeichnung der ersten Folge eine französische Schulklasse ohne Deutschkenntnisse ins Studio eingeladen.

Christof Boy

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