„Grüne sind nicht die neue Heimat“

Vera Achenbach war bis Juni 1989 20 Jahre hauptamtlich in der DKP / Als Erneuerin wurde sie bei den Wahlen zum Parteivorstand Anfang des Jahres nicht wiedergewählt  ■ I N T E R V I E W

taz: Was hat der Kongreß gebracht?

Vera Achenbach: Ich würde sagen, wir haben damit die sehr quälende Phase der Abarbeitung am Parteivorstand, an den Funktionsträgern überwunden. Es ist damit endgültig die Phase vorüber, während der wir ErneuerInnen unsere ganze Kraft für die rückwärtsgewandte Auseinandersetzung brauchen. Ich glaube, daß wir uns nun ernsthaft mit theoretischen und politischen Fragen der Erneuerung von Sozialismus und Marxismus auseinandersetzen. Drei Punkte haben mich positiv überrascht: Wir haben in der Frauenfrage einen wichtigen Schritt getan. Dann hat sich die Auseinandersetztung mit linken Strömungen auf breiter Basis sehr gut angelassen. Schließlich hat ein weiterer Schritt zur Entwicklung eigenständiger, unabhängiger, theoretischer Positionen stattgefunden.

Kann man nach diesem Kongreß sagen, welche ErneuererInnenströmung sich durchsetzen wird?

Es gibt große Meinungsverschiedenheiten darüber, was nach der DKP, wie sie heute ist, kommt: Ein Teil will zu den Grünen gehen, ein Teil denkt, man könne die DKP erneuern, und der größte Teil, der Organisationsformen kommunistischer Theorie und Politik als Assoziationen denken will. Ich glaube, die meisten ErneuerInnen wollen nicht mehr unter dem Dach DKP bleiben. Die Zahl der Austritte wird weiter wuchern.

Wollen tatsächlich viele zu den Grünen?

Ja, aber nicht, weil sie die Parteimitgliedschaft wechseln wollen. Sie suchen nach eigenen Zusammenhängen, in denen sie die Erneuerung des Marxismus betreiben können. Eine neue Heimat erhoffen sie sich von den Grünen nicht.

Teilst Du nach diesen Tagen den Eindruck einer intensiven rot-grünen Besoffenheit der ErneuerInnen?

Der Eindruck kann zwar entstehen. Allerdings bin ich doch optimistischer, was die Grundorientierung auf Radikalität angeht. Wir haben lange eine abstrakte und illusionäre Klassenorientierung und Sozialismuspropaganda betrieben, in der die Frage nach dem Weg zum Sozialismus in der Bundesrepublik total schematisiert war. Unsere Diskussion über Reformalternativen - und dazu gehört Rot-Grün - ist der Abschied von einem schematisierten Übergangsplan zum Sozialismus in der BRD. Allerdings ist die Entwicklung von Reformalternativen noch nicht abgeschlossen. Viele ErneuerInnen oder ehemalige DKPler, die sich lange an der Entwicklung von Theoriekonzepten abgearbeitet haben, messen und bilanzieren das nun an den realen politischen Schritten, und das ist auch notwendig - solange man dabei kritisch bleibt.

Rufst Du zum Austritt auf? Appellierst Du, drinzubleiben?

Ich rufe nicht zum Austritt auf. Ich appelliere aber auch nicht mehr daran, drinzubleiben. Ich halte es in der derzeitigen Situation für genauso gerechtfertigt auszutreten, wie drinzubleiben. Mein persönlicher Standpunkt ist: Die Partei und ihre Substanz an Menschen, die Politiktheorie entwickelt haben und sich jetzt an der Erneuerung des Marxismus abarbeiten, ist ein so wichtiges Potential der organisierten Linken in der Bundesrepublik, daß ich es einfach nicht einsehe, dieses Potential als Eigentum des Parteivorstands betrachten zu lassen. Um dieses Potential möchte ich kämpfen.

Interview: Ferdos Forudastan