Maschinen für 20 Millionen unterm Hammer

■ Vier Tage lang werden jetzt die letzten Reste der Druckmaschinenfabrik „Rotaprint“ versteigert / Ehemalige Mitarbeiter sehen wütend und hilflos zu / Bieter kommen sogar aus Ägypten / Arbeitssenator Wagners Jobversprechen bleibt vage

„318“ klebt an der schweren Maschine. Vor fünf Wochen hatte hier bei der Weddinger Druckmaschinenfirma „Rotaprint“ der letzte Arbeitstag für den Materialzuschneider Torsten Wiechmann geendet. Gestern ist er noch einmal in seine ehemalige Firma gekommen. Er wirft einen letzten Blick auf seine Maschine. In der Werkhalle nebenan ist die Versteigerung des Maschinenparks der pleite gegangenen „Rotaprint„-Werke schon in vollem Gang.

Auch der 50jährige Mohammed Amara ist mit seinem Bruder extra aus dem fernen Ägypten zur Versteigerung im Wedding angereist. Er sucht Werkzeugmaschinen und will bis zu einer halben Million Mark ausgeben. Die ersten 50 Maschinen sind bereits weg. Bei der 51. Maschine beginnt Auktionator Manfred Opp sein Angebot: „2.000 Mark für eine Stichelschleifmaschine.“ In der Menge der 200 Besucher aus Berlin, dem Bundesgebiet, Italien und selbst Ägypten hebt keiner seinen numerierten Zettel. Erst bei „800 Mark“ geht lustlos ein Arm hoch, und das Preisbieten beginnt. „Dausend, dausend, dausend“, fordert Opp, weitere Interessenten halten ihre Nummern hoch, „Dausenddreihundert, dreihundert, dreihundert, habe ich hier“, ruft er hektisch, „Dausendsechshundert, sächshundert, sächshundert“, versucht Opp den Preis hochzutreiben. Bei 2.000 Mark bietet jemand mit, Opp knallt den Hammer auf den Tisch, die Stichelschleifmaschine hat einen neuen Besitzer.

4.500 „Positionen“ des ehemaligen „Rotaprint„-Werkes im Wedding hat Opp zu versteigern, vier Tage dauert die Auktion. Maschinen, Werkzeuge, Möbel und Kleinkram im Neuwert von 20 Millionen Mark hat die 85 Jahre alte Firma übriggelassen. Was Opp dafür rausholt, kriegt der Berliner Senat. Der hatte die kriselnde Firma mit einer Landesbürgschaft von 32 Millionen Mark über die drohende Pleite hinwegretten wollen - ohne Erfolg. Schließlich kündigten die Gläubiger-Banken ihre Kredite in Höhe von 20 bis 30 Millionen Mark. „Rotaprint“ mußte Anfang Juli das Betriebstor für immer schließen. Da halfen auch die ausgefüllten Vordrucke mancher Mitarbeiter nichts, die noch immer im „Briefkasten für das betriebliche Vorschlagwesen“ darauf warten, von irgend jemandem gelesen zu werden.

Der Materialzuschneider Torsten Wiechmann hat bei „Rotaprint“ im Wedding 23 Jahre gearbeitet. Jetzt ist er 41 und arbeitslos. Zusammen mit seinen 420 entlassenen Arbeitskollegen sollte er in „senatseigenen Betrieben“ eine Stelle bekommen, wie Arbeitssenator Horst Wagner (SPD) noch im Juli versprochen hatte. Bei den Berliner Stadtreinigungs -Betrieben (BSR) wimmelte man ihn aber ab. Das Arbeitsamt hat ihm bisher nur eine neue Stelle anbieten können. Stundenlohn 10,50 Mark, anstelle von 18 Mark vorher bei „Rotaprint“. Von seinen Kollegen haben bisher zwei einen Job in der Verwaltung der Berliner Verkehrs-Betriebe (BVG). Von weiteren 90 Bewerbern bei BVG und BSR sind „Einstellungstests und ärztliche Gutachten noch nicht ausgewertet“, heißt es in der Senatsverwaltung für Arbeit.

Daß das Auktionshaus Opp selber einmal pleite geht, ist vorerst kaum zu befürchten. Alleine in den kommenden fünf Wochen kommt unter den kleinen schwarzen Hammer von Opp ein Sägewerk, eine Maschinenfabrik, eine Automatendreherei und ein Stahlbauunternehmen. Bei der Versteigerung im Wedding hatten ehemalige Mitarbeiter nicht mitgeboten. „Wo soll ich denn das Geld her nehmen“, fragt die 33jährige Annegret Schlemann, bei „Rotaprint“ drei Jahre Maschinenschlosserin und jetzt arbeitslos. Bei ihr bleibt nur die „Wut auf die Geschäftsleitung und den Betriebsrat“. Denn wenn „mehr Informationen über die jahrelang schlechte Finanzlage dagewesen wären, hätte vieles abgewendet werden können“. Vielleicht hat sie recht. Ein neues Unternehmenskonzept der Forschungsgemeinschaft für Außenwirtschaft, Struktur- und Technologiepolitik (FAST), mit dem 300 Arbeitsplätze gerettet werden sollte, kam jedenfalls zu spät.

Dirk Wildt