: DETONATION IM ENDZEITDARM
■ ARTWARE - Videos im Sputnik Wedding
Jon Moritsugu ist ein gesunder Deutschenhasser: die Krauts sind waren bleiben Nazis - you remember? The Third Reich'n'Roll, Hitler im Rockpalast, die angetörnten Massen strecken den Totschlagschießarm, ihren Rock'n'Roll-Führer zu grüßen - „Heil Presley!“ 1957 kehrte Elvis als GI heim ins Reich of Blood & Honey. „No, this ain't Versailles - LASS UNS ROCKEN - KILL!“ - Massenmord und Rock'n'Roll. Moritsugu spinnt, Elvis gleich Hitler? No! Eher Elvis als Reichsrockmarschall Göring, die tuntige Koksnase, die aufgedunsene Drogentonne, Elvis, der sich voll drauf nachts heimlich die Fummel seiner toten Mami überstreift ausgerechnet den Elvis wollte Nixon als Spezialagent für eine Anti-Drogenkampagne einspannen, ein guter Witz.
Moritsugus Film heißt DER ELVIS - in Nazi-Runenschrift versteht sich. Die montierten deutschen (!) Zwischen -/Untertitel sind grelle Komik - stümmel mir die deutsche Mutter/Sprache: FLEISCH - KLANG - LAUTER UNSINN - IM STAATLICHEN GEHEIM - EINZELHAFT ROCK - LUFTWAFFE... „You can't sustain an erection for a very long time...the non stop thing won't work 35 minutes“ - Moritsugus Devise, Filme zu verbrechen. In knappen 24 Minuten rechnet er mit dem Dauerständer des Rock'n'Roll ab, Motto: Alles Lüge. Elvis holt sich auf dänische Softpornos einen runter, seine „true love“ Priscilla hat er nur 40mal gefickt in drei Jahren, Inzest, munkeln die Mäuler über den sauberen Sonnyboy SEINE MUTTER ZUM BUMSEN. Weiß der Teufel, woher Moritsugu das hat, ein obskurer Elvisexperte bestätigt's. Moritsugu verpaßt Elvis Injektionen ins rohe Fleisch, führt ihn als zum Sexsymbol mutiertes Mastschwein vor, ganz fies vernichtet er ihn mit denselben Bildern, die ihn groß gemacht haben. Die Stimmbänder hat er ihm zerschnitten, statt als „golden throat“ winselt er weinerlich aus dem Off gegen ein infernalisches Soundgewimmer an. GOTT IST TOT, WIR HABEN IHN GEMORDET - spätestens nach diesem Film gibt's für Elvis keine Auferstehung mehr.
Eher als sarkastisches Undergroundkasperletheater im Gruftiegewand kommt Moritsugus SLEAZY RIDER daher, „a final farewell to the Easy Rider generation and its stupidity“ markige Worte, was steckt dahinter? Intro: der Drogendeal wird klargemacht, ein Kilo Wurst wechselt den Besitzer, und dann schwingen sich Miß Fonda und Miß Hopper auf ein Bike (no budget!), beseelt vom exzellenten Shockabilly- und Feedtime-Soundtrack der amerikanischen Freiheit entgegen, die irgendwo zwischen Shitville und Pleasantville begraben liegt. In Shitville legen sie sich mit der Dorfhexe Cruella an, und es geht um die Wurst, dank derer die „dirty girl bikers“ zunächst den Fängen der Alten entrinnen können. Dafür erwischt es sie dann in Pleasantville, wo sich giftige „happy cookies“ (Acid?) andrehen lassen - gerechte Strafe für ein grausiges Weihnachtsmassaker, bei dem die beiden Jesus, das Plüschpferdchen, abschlachten. Kein weiterer Kommentar mehr, selber angucken und ablachen, wenn diese beiden Moritsugu-Streifen im Rahmen eines Videofilmprogramms zu sehen sein werden, das ein bißchen Einblick gewährt in die programmatischen Machenschaften von ARTWARE, obskuren Wiesbadener Subkultur-Dealern, die sich aus „abseitige Unterhaltung“ spezialisiert haben.
Die großartigen T-Shirts mit den aktuellen Erdbebenmotiven aus San Francisco - Aufschrift „Ich habe das große Beben 1989 überlebt“ - haben sie zwar wahrscheinlich auch nicht im Angebot, aber in puncto unterhaltsamer Katastrophenkultur haben sie schon einiges zu bieten. Am Beispiel des Videoclips „Krush, Kill, Destroy“, dem Katastrophensampler einer australischen Bilderfabrik namens „Lymph“ ließe sich gut demonstrieren, daß elektronische Unterhaltungskultur auch innovativ sein kann, wenn sie zum Selbermachen anregt. Ausgerüstet mit einem recht billigen Equipment von zwei Videorecordern und Monitoren wäre es problemlos, Tapes wie „Krush, Kill, Destroy“ zusammenzuschneiden, weil es für jeden verfügbares Material aus Dokumentationen und Nachrichtensendungen verarbeitet; eben jene inflationäre Bilderflut, die uns in der Regel zu ohnmächtigen Statisten am Rande der technofetischistischen Apokalypse verdammt. Durch eigene Choreographie und Manipulation diese Bilder wieder greifbar zu machen, um ihren totalitären Anspruch auf Realität eine eigene Betrachtungsweise entgegenzusetzen, wäre der erste Schritt in Richtung einer Befreiung von diesen Bildern. Ein Video wie „Krush, Kill, Destroy“, das einen mit einer rhythmisch präzisen Bilderattacke fertigmacht, ist mehr als nur optischer Selbstzweck; es kann zu einer irritierenden Katharsis führen, weil es den zombiemäßigen Trancezustand zu knacken versucht, in dem wir alltäglich mehr oder weniger tumb durch die Chronik unseres passierenden Lebens taumeln.
Immer angespannt im Hier und Jetzt sitzt Joe Coleman in seinem New Yorker Apartment, umgeben von seiner eindrucksvollen Freak-Sammlung, die er sich aus Anatomiesälen und Wachsmuseen zusammengeklaubt hat, und gibt freundlich Auskunft über seine intimsten Neigungen und Gelüste zu explodieren im wortwörtlichsten Sinne. Ganz am Anfang seines bizarren Exhibitionismus kreuzte er bei irgendwelchen Privatparties auf, deren Gäste er obszön beleidigte, bis es zu Tumulten kam, die er dazu nutzte, sich auf dem Höhepunkt der Ausschreitungen selbst in die Luft zu sprengen - mit präparierten Sprengstoffhemden, versteht sich, ziemlich ungefährlich, aber höchst effektiv. Sein Ruf als exzentrischer, risikofreudiger Performer machte schnell in New Yorker Künstlerkreisen die Runde, und er wurde zu diversen subkulturellen Happenings eingeladen, aber auch dadurch hat sich Coleman seine Unberechenbarkeit und Gemeingefährlichkeit nicht entschärfen lassen („I don't give a fuck about art“), weil er mehr ist als nur ein detonierender Scharlatan. Seine Auftritte führen in der Regel zu Massenpaniken (er „schießt“ ins Publikum, erfreut mit Ratten und Schlangen oder traktiert sich auch manchmal selbst mit Flaschen und Stuhlbeinen), die gelegentlich auch gute Gagen garantieren („They left all their stuff on the seats an split, so I was able to make money by going through their things“). Von sich selbst behauptet er und das glaubwürdig, daß er ein zweiter Carl Panzram (amerikanischer Massenmörder der zwanziger und dreißiger Jahre) sein könnte, „...but luckily I was able to get my anger and frustration out through painting and performance“ - mit den Bullen gab es bisher meistens Ärger wegen unterschiedlichen Kunstverständnisses: „Well is it cruelty to animals if he fucks the fish when it's dead?“ - „Don't you know ehat this is? That's surealism!“ (O-Ton New Yorker Cops) Wer Coleman aus sicherer Entfernung explodieren sehen will, kann das in dem von RE-SEARCH produzierten „Pranks TV“ Video tun zusammen mit Interviews mit Mark Pauline, Karen Finley, u.a. und sich dann überlegen, ob bei der nächsten Party nicht doch noch eine kleine Attraktion vonnöten wäre.
DOA
Ab heute bis Sonntag, genaue Daten siehe Tagesprogramm.
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