: Schöne Leichen in Moskau
■ Doris Gerckes Krimi „Moskau meine Liebe“
Zum dritten Mal hat die Hamburgerin Doris Gercke ihre mollige Privatdetektivin Bella Bock auf Reisen geschickt. Diesmal nach Moskau. Was als sentimentaler Wochenendtrip beginnt - Bella ist auf den Spuren ihres unehelichen Großvaters -, entwickelt sich zu einer komplizierten Sex-and -Crime-Story mit etlichen Toten. Die Opfer: junge, hübsche Frauen, die sich zahlungskräftigen Ausländern feilbieten. Als dann noch ein schöner Polizist auftaucht, einer jener jungen Männer, für die Bella eine Schwäche hat, ist sie völlig von den Socken. Der smarte Mann hat eine frappierende Ähnlichkeit mit ihrem unbekannten Großvater. Bella verliebt sich und sitzt zwei Monate später erneut im Flugzeug gen Osten, um dem Geheimnis von Leichen und Liebe auf die Spur zu kommen. Dabei gerät die Detektivin in den Moskauer Sumpf von Prostitution und Mädchenhandel, macht Bekanntschaft mit Schiebern und Schlägern und... kehrt natürlich am Ende wohlbehalten nach Hamburg zurück. Schließlich soll Moskau nicht das Ende sein. Bella will mehr.
Doris Gercke, frischgebackene Autorin und Newcomerin in der deutschen Krimiszene, hat ein märchenhaftes Jahr hinter such. Nach ihrem erfolgreichen Debüt im letzten Herbst mit Weinschröter, du mußt hängen ist sie inzwischen eine begehrte Autorin und das Zugpferd des kleinen Hamburger Galgenberg-Verlags. Neben drei Romanen hat sie ein Drehbuch für die Bavaria geschrieben, ein anderes steht kurz vor der Vollendung, und letzte Woche hat der Trebitsch-Clan sein Interesse an einer Verfilmung der Krimis bekundet. Eine Idee, die auf der Hand liegt. Die Bücher enthalten die ideale Mischung für anderthalb Stunden Kino: neben den obligatorischen Leichen Lokalkolorit und Soziales, ein bißchen Liebe, Politik und Ironie und dazu die rundliche Bella, die trotz ihrer fünfzig Lenze noch lange nicht zu den Alten gehört. Darüber hinaus hat es Doris Gercke immer verstanden, das Geschehen da anzusiedeln, wo das Herz der Szene hängt: auf dem Land, in Italien und in der Sowjetunion. Ein raffinierter Trick.
Raffiniert erdacht ist auch Detektivin Bella Bock. Ein Antifrauentyp: rund, älter, schnoddrig. Und das trifft den Trend der Zeit. Die Szene wird behäbig, die Feministinnen ergrauen und die Männer - ermüden. Die älteren und alten Frauen drängen nach vorn, nicht nur Trude Unruhs Graue Panther mit ihrer neuen Partei. Doris Gercke selbst ist der Beweis dafür. Mit über vierzig machte sie Abitur und schrieb mit fünfzig ihr erstes Buch. Mit Bella Bock hat sie den Prototyp der „neuen Frau“ der neunziger Jahre geschaffen: aufgeklärt, abgebrüht und lebensfroh. Als Identifikationsfigur für ehemalige 68erinnen gerade gut geeignet.
Aber sie kann auch schreiben, die neue Krimiautorin. Ausgestattet mit sicherer Beobachtungsgabe gelingt es ihr, die Beschreibungen stets mit einer Prise Ironie zu würzen. So kann sich Doris Gercke auch kritische Randbemerkungen leisten, ohne je in einen moralisierenden Ton zu verfallen.
Manche HamburgerInnen mögen von ihrem DKP-Engagement wissen, doch in puncto Ideologie hält sich die Krimiautorin zurück. Da ist sie ganz Profi. Es gibt keine platten Parolen und keine simple Schwarzweißmalerei. Moskau meine Liebe ist ein nettes Buch, bestens geeignet für einen Abend in der Badewanne. Die 144 Seiten reichen gerade, damit das Wasser nicht kalt wird.
Heide Soltau
Doris Gercke: Moskau meine Liebe, Verlag am Galgenberg, Hamburg, 144 Seiten, 18 DM
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen