: Totalverriß aus dem Hause Zimmermann
■ Ein vertrauliches Papier des Bonner Verkehrministeriums gibt dem Transrapid keine Chance
Könnte man sicher sein, daß am Bonner Kabinettstisch letztlich der Sachverstand des zuständigen Fachministeriums den Ausschlag gäbe, dann wäre der Transrapid schon heute mausetot. „Aus verkehrlicher Sicht“, heißt es im Fazit einer der taz vorliegenden vertraulichen Untersuchung aus dem Bundesverkehrsministerium, „bietet das Magnetbahnsystem keine Zukunftsperspektive für die Lösung der Verkehrsprobleme der Bundesrepublik Deutschland.“ Und weiter: „Die von der Industrie als 'Wunschstrecke‘ genannte Magistrale Hamburg-Ruhrgebiet-München ist weder verkehrspolitisch sinnvoll noch wirtschaftlich zu betreiben. Damit entfällt auch eine verkehrliche Notwendigkeit zum Bau einer Referenzstrecke (Vorzeigestrecke, d.Red.), deren Ergebnisse allein betrachtet noch ungünstiger ausfallen.“
Insbesondere die umweltpolitische Bilanz aller bisher diskutierter Streckenvarianten fällt in dem Gutachten des Bundesverkehrsministeriums (BMV) verheerend aus:
-„Das Verkehrsaufkommen der Magnetbahn resultiert zu mindestens 80 Prozent aus Verlagerungen vom Schienenverkehr“ - was schwerlich Ziel des Transrapids sein kann.
-„Eine spürbare Entlastung des Straßenverkehrs ist nicht zu erwarten.“
-„Der Luftverkehr wird ebenfalls nicht entlastet. Bei der Strecke Essen-Bonn ist sogar mit einer Zunahme der Fluggastzahlen für die Flughäfen Düsseldorf und Köln-Bonn um ca. 20 Prozent zu rechnen. (...) Hiermit wäre eine zusätzliche Belastung des Luftraumes verbunden.“
Auch aus ökonomischer Sicht erwartet das Verkehrsministerium von einem künftigen Transrapidbetrieb ein Debakel, ausdrücklich auch im Hinblick auf die inzwischen vorrangig diskutierte Vorzeigestrecke Essen-Bonn. Die soll nämlich nach den Vorstellungen der Befürworter ihre Erlöse zu drei Vierteln aus dem Pendelverkehr zwischen den Flughäfen Düsseldorf und Köln-Bonn erzielen. Voraussetzung dafür wäre, daß die beiden Flughafengesellschaften einer Transrapid-Betreibergesellschaft mit zehn Mark pro Passagier (261 Millionen Mark pro Jahr) unter die Arme greifen.
Dieser Betrag, heißt es in der Bewertung aus dem BMV, stehe „in keinem Verhältnis zu der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit“ der Flughafengesellschaften, die 1988 zusammen nur etwa 480 Millionen Mark umsetzten. Außerdem herrschen im Hause Zimmermann „erhebliche Zweifel, ob die Kapazität der beiden Flughäfen zur Bewältigung des (von den Planern, d.Red.) errechneten Verkehrsaufkommens ausreicht“.
Erhebliche Unwägbarkeiten haben die BMV-Experten auch in den von der Industrie vorgelegten Investitionskostenrechnungen gefunden. So hänge der für die Realisierung notwendige Tunnelbau stark vom „Verlauf der planungsrechtlichen Verfahren“ ab. Die „Verlängerung eines Tunnels um einen Kilometer hätte bereits eine Steigerung der gesamten Investitionskosten von ca. 1,5 Prozent zur Folge“, warnen die Autoren. Deshalb seien die bisher für „Unvorhergesehenes“ eingeplanten Zuschläge viel zu gering.
Die finanziellen Risiken beim Bau der Magnetbahn -Vorzeigestrecken würden laut BMV nahezu „ausschließlich zu Lasten der öffentlichen Hand“ gehen. Die sogenannte „Transrapid-Anschubgruppe“ aus Industrie und Ministerialen hatte eine Mischfinanzierung vorgeschlagen, die diesen Namen kaum verdient. Danach sollte die öffentliche Hand etwa drei Milliarden Mark beisteuern, die Industrie nur schlappe 250 Millionen. Daß die Wirtschaft das Projekt aus Eigeninteresse weiterverfolgen könnte, schließen die BMV-Ministerialen denn auch aus: „Bei errechneten jährlichen Kosten von 4,8 Milliarden DM betragen die Erlöse lediglich 1,5 Milliarden DM pro Jahr, so daß ein Kostendeckungsgrad von nur 32 Prozent erzielbar ist.“
Daß die Bundesregierung das neue Milliardengrab trotz allem nicht kampflos zuschütten will, belegt der Anhang zu einer Kabinettsvorlage, der der taz ebenfalls vorliegt. Darin beantworten Beamte aus dem Verkehrs- und dem Forschungsministerium „die wesentlichen kritischen Fragen zum Transrapid, die in der letzten Zeit gestellt wurden“. Kostprobe: „Ein Zusammenstoß mit einem schweren Hindernis auf der Trasse wird beim Transrapid konzeptmäßig ausgeschlossen. Ein solches Ereignis kann nur durch Vandalismus oder Sabotage erzeugt werden.“ Daneben wird betont, daß eine „Aufständerung“ (siehe Foto) nicht überall in Frage komme, sie also streckenweise „ebenerdig wie ein normales Rad-Schiene-System“ betrieben werden soll. Umstürzende Bäume oder Tiere laufen offenbar unter Sabotage.
Große Sorgen bereiten den Planern auch schlichte Erfahrungsdefizite. So weiß niemand genau, welch gewaltiger Sog auftritt, wenn sich zwei Züge bei Tempo 400 bis 500 im Gegenverkehr begegnen oder durch einen Tunnel rasen - ein Problem, das der Bundesbahn bereits bei ihrem Superzug ICE zu schaffen macht. „Zur Zugbegegnung“, heißt es lapidar in der Antwort auf eine entsprechende Nachfrage, „wurden bisher nur theoretische Arbeiten und Experimente durchgeführt“.
„Ist der Transrapid bei einer Geschwindigkeit von 400 km/h nicht so laut wie ein Tiefflieger?“ will schließlich ein fiktiver Frager wissen. Nein, natürlich nicht, meinen die Beamten. Immerhin: „Bei 500 km/h liegt der errechnete Schalldruckpegel an der unteren Grenze eines Tieffliegers bei 75 Metern Höhe über dem Grund und ca. 835 km/h.“
Gerd Rosenkranz
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