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Bessy II stinkt und strahlt nicht

■ AL und Wissenschaftssenatorin wollen Elektronenspeicherring-Anlage für Forschungszwecke in Wilmersdorf erbauen / Kosten der Großanlage: 126 Millionen Mark / Bonn soll den Löwenanteil zahlen, wenn die Standortfrage gelöst ist / Bürgerbeteiligung im Bezirk

Es scheint so gut wie sicher: Berlin erhält eine zweite Elektronenspeicherring-Anlage, besser bekannt unter dem Namen Bessy II, in Wilmersdorf. Umstritten ist im Moment noch der genaue Standort im Bereich zwischen Dillenburger Straße, Lentzeallee, Norderneyer und Zoppoter Straße. Gestern wurde im Rathaus Wilmersdorf das Bürgerbeteiligungsverfahren eröffnet, in dem die Anwohner vier Wochen lang zu den Bebauungsplänen Stellung nehmen können. In unmittelbarer Nachbarschaft der geplanten Großtechnologieanlage liegen eine Gartenarbeitsschule, das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und Institute der TU sowie das Institut für Mikrostrukturtechnik der Fraunhofer Gesellschaft.

Ein Großteil der Anlage wird sich unter der Erde befinden. Proteste gibt es von Seiten der Bezirks-SPD wegen der Gartenarbeitsschule. Deren Bestand ist zwar gesichert, aber bei allen Bebauungsvarianten wird sie an Flächen verlieren, für die ein Ausgleich geschaffen werden muß. Durch die Bürgerbeteiligung soll in Erfahrung gebracht werden, welches Modell die größte Akzeptanz findet, so der Wilmersdorfer Baustadtrat Szelag. Der AL-Politiker betonte, daß auch seine Partei den Bau von Bessy II befürworte. Gefährliche Auswirkungen und Nachteile dieser Technologie seien nicht bekannt, sie stehe für eine Fortschrittlichkeit, die auch die AL für richtig halte. „Sie stinkt nicht und sie strahlt nicht“, rechtfertigte Szelag das Projekt. Stellungnahmen wollten gestern die AL-WissenschaftsexpertInnen nicht geben.

Die Kosten für Bessy II werden vom Senat mit 126 Millionen Mark veranschlagt, drei Viertel davon soll der Bund zuschießen. Bonn will das Geld allerdings erst bereitstellen, wenn die Standortfrage geklärt ist. Die Abkürzung Bessy steht für „Berliner Elektronenspeicherring für Synchotronstrahlung“. Die erste Anlage dieser Art in Berlin wurde 1979 unter Beteiligung von westdeutschen Forschungsträgern und Industrieunternehmen gegründet. Erzeugt wird in der Anlage die sogenannte Synchotronstrahlung, die in der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung und in der Mikroelektronik angewandt wird. In der kreisförmigen Anlage werden Elektronen fast mit Lichtgeschwindigkeit auf eine Kreisbahn gelenkt, die dabei mit zunehmender Geschwindigkeit immer stärkere elektromagnetische Strahlung emittieren.

Die Anlage Bessy I gilt wissenschaftlich mittlerweile als veraltet. Die Betreiber der Anlage sehen im Bau von Bessy II eine konsequente Fortentwicklung der Technologie, die Berlins guten Ruf auf diesem Gebiet sichern soll. Volle Unterstützung findet das Projekt auch bei Wissenschaftssenatorin Riedmüller, die seit mehreren Wochen dafür kämpft, daß die versprochenen Gelder aus Bonn tatsächlich fließen. Während des sogenannten Forschungsstreits zwischen Bonn und Berlin schien das Projekt gefährdet. Wie heute aus dem Wissenschaftssenat zu vernehmen war, befürchtet man nun aber, daß Bonn die Gelder zurückziehen könnte, wenn der Streit um die Bebauungsfläche sich zu lange hinzieht.

kd

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