: Der Kaffeepreis als Schraubzwinge
■ Die nicaraguanische Landarbeitergewerkschaft verhandelt in Bremen über Kaffee
Julio Caesar Munoz hatte auf seinem Bremer Besuchszettel auch eine Stippvisite in der Produktion von Eduscho stehen. „Nicht ganz so einfach“ sei es gewesen, diesen Termin zu arrangieren, war aus Kreisen der Nicaragua-Solidarität der Bremer DGB-Gewerkschaften zu hören. Ob es denn auch zu politischen Diskussionen komme, wollte die besorgte Eduscho -Geschäftsleitung vorab wissen. Das schlechte Gewissen mag sie bei dieser Frage getrieben haben, die Erinnerung, noch im Frühjahr diesen Jahres mit Bemerkungen wie folgender zitiert worden zu sein: „Entfesseltes Spiel von Angebot und Nachfrage erkennt auch der Kaffeeverein Bremen als langfristig erstrebenswertes Spiel.“
Julio Caesar Munoz kann über die Folgen des „entfesselten Spiels“ eindringlich berichten. Auf das Niveau der Kaffeekrise von 1935 ist der Weltmarktpreis nach der Aufkündigung des internationalen Kaffeeabkommens mittlerweile gefallen. Auf einen Verlust von 45 Millionen US -Dollar werden allein die Mindereinnahmen in Nicaragua geschätzt. Das Gesamteinkommen durch Kaffee-Exporte liegt nur bei 100 Millionen Dollar. Für das kriegs- und krisengeschüttelte Land in Zentralamerika eine weitere Katastrophe: 40 Prozent aller Exporteinnahmen erwirtschaftete man bislang mit Kaffee.
Julio Caesar Munoz, der als Vertreter der Nicaraguanischen Landarbeitergewerkschaft ATC auf einer Informationsreise durch die Bundesrepublik zur Zeit in Bremen zu Gast ist, kennt die sozialen Folgen dieser Politik. Der „freie Wettbewerb“ auf dem Kaffeemarkt, der alle Mengen-und Preisregulationen außer Kraft gesetzt hat, führt in den kleinen Erzeugerländern zur Verelendung. In Nicaragua, wo 70 Prozent des Kaffees von kleinen Bauern und Kooperativen angebaut wird, kann zwar der Nominallohn noch garantiert werden, der Rohstoff-Preisverfall aber demontiert manch soziale Errungenschaft der sandinistischen Revolution. Bei den Kindergärten, der Weiterbildung oder im Gesundheitswesen, überall, so Munoz, spüren die Landarbeiter das Ende des Kaffeeabkommens. „Während die Preise für unsere Rohstoffe verfallen, müssen wir für den Import von Produkten aus den Industrieländern immer mehr bezahlen.“
Julio Caesar Munoz aber hat auf seiner Rundreise auch etwas für die Stabilisierung der Preise getan. In Verhandlungen mit Adelante e.V., dem Zusammenschluß der bundesdeutschen Läden, die Nica-Kaffee direkt importieren, hat er Möglichkeiten austariert, wie die Quoten für die Direktimporte erhöht werden können. „Wir haben ein Interesse daran,“ sagte er, „weil uns das ökonomisch und politisch stärkt“. Dazu braucht es aber ein bundesdeutsches Kaffeepublikum, das den Verlockungen der Jacobs- und Eduscho - Angebote widersteht und direkt importierten Kaffee kauft. Andreas Hoetze
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