: 221 neue Aidsfälle im Oktober
■ Bundesgesundheitsministerin Lehr weist auf „alarmierende“ Zunahme der Erkrankungen hin / Nachmeldungen einiger Kliniken relativieren jedoch die Aussagekraft der Fallzahlen
Berlin (taz) - Das Aids-Zentrum des Bundesgesundheitsamtes hat im Oktober 221 neue Aidsfälle registriert. Dies ist die bisher höchste in einem Monat gemeldete Zahl an Erkrankungen. Sie liegt um rund 100 Fälle über dem monatlichen Mittel des vergangenen Jahres. Bis zum 31. Oktober waren in der Bundesrepublik insgesamt 4.093 Personen an Aids erkrankt. Bis Ende September waren 1.663 Patienten gestorben.
Bundesgesundheitsministerin Lehr ging am Dienstag mit den neuen Fallzahlen eigens an die Presse und sprach von einer „alarmierenden“ Zunahme. Die Ministerin appellierte „voller Sorge“ an alle, Aids als Bedrohung weiter ernst zu nehmen. Die Präventionskampagne gegen die Immunschwäche werde wirkungslos, wenn nicht jeder einzelne die Verantwortung für sich und seine Partner aktiv lebe.
Beunruhigend nannte es die Ministerin, daß sich unter den 221 im Oktober neu gemeldeten Erkrankungen zehn Fälle mit vermutlich heterosexuellem Übertragungsweg befanden. Bislang seien in jedem Monat durchschnittlich nur vier heterosexuelle Übertragungen bekanntgeworden. Die höchsten Zuwachszahlen wurden in Frankfurt und Berlin gemeldet. In den beiden Großstädten sind jetzt zusammen mehr als 1.200 Personen an Aids erkrankt.
In ihrer Presseerklärung weist die Ministerin daraufhin, daß der sprunghafte Anstieg zum Teil auch mit nachträglichen Meldungen zusammenhängt. Schon früher diagnositizierte Aidserkrankungen seien nachgemeldet worden. Wie die taz gestern erfuhr, haben einige Kliniken offenbar „urlaubsbedingt“ einige Wochen lang nicht gemeldet, um dann im Oktober größere Fallzahlen nachzureichen.
Die Zahl der über Antikörpertests ermittelten Infizierten in der Bundesrepublik lag Ende Oktober bei 34.973. Hier wurde eine Zunahme von 488 Fällen verzeichnet. Das entspricht nach Auskunft des Aids-Zentrum in etwa dem monatlichen Mittelwert. Diese Zahl der offiziell erfaßten Infektionen ist allerdings fehlerhaft, weil wegen der Verpflichtung zur Anonymität Doppelt- und Dreifachtests als jeweils neue Infektion gemeldet werden.
-man
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