: Soldaten-Urteil-betr.: "Freispruch für 'Mörder'-Vergleich u.a., taz vom 21.10.89 / 23.10.89 / 24.10.89 / 27.10.89
betr.: „Freispruch für 'Mörder'-Vergleich“, „Drastische Sprache gegen Militärs erlaubt“, taz vom 21.10.89, „Das Frankfurter 'Schandurteil'“, taz vom 23.10.89, „Gegen Soldaten-Urteil wird weitergetobt“, taz vom 24.10.89, „Soldaten-Urteil erregt Bonner Gemüter“, taz vom 27.10.89
Die scheinheilige Erregung von Bundeskanzler Kohl und seine skandalösen Attacken gegen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit können nicht darüber hinwegtäuschen, daß in der Organisation, die behauptet, nur als Verteidigungsarmee zu dienen, zum Töten ausgebildet wird.
Als junger Rekrut habe ich im Jahr 1975 auf einer Schießanlage der Bundeswehr in der Rhön gelegen und auf „Pappkameraden“ gezielt, die die Umrisse von Menschen hatten. Für die höchste Trefferquote - die Anzahl der Schüsse mitten in den innersten Kreis der Zielscheibe, in das Herz des Pappkameraden - wurden wir ausgezeichnet. Kein Zweifel: Ich sollte im Ernstfall töten können. Gleichzeitig wurde im politischen Unterricht der reine Verteidigungsauftrag der Bundeswehr propagiert.
Keine Situation kennzeichnet besser die Schizophrenie der Abschreckung, dieser gefährlichen Gratwanderung zwischen Kriegsverhütung und Kriegsvorbereitung: Um glaubwürdig abschrecken zu können, muß man glaubwürdig und ständig einsatzbereit sein. Das, wozu es eigentlich nicht kommen soll, nämlich gewalthaltige, unter Umständen mörderische Konfliktlösung, muß ständig geübt werden. Diesen Widerspruch, in den junge Menschen unverantwortlicherweise gestellt werden, kann keine noch so vollmundige Lobpreisung des angeblichen „friedenssichernden Verteidigungsauftrages“ unserer Armee aufheben.
Die Ausfälle des Bundeskanzlers sind auch ein Zeichen dafür, wie nervös, wie hektisch, wie konzeptionslos die Regierung auf den rapide voranschreitenden Akzeptanzverlust unserer Bundeswehr und der ganzen dahinterstehenden „Verteidigungs„-Politik glaubt reagieren zu müssen. Dieser Akzeptanzverlust muß vertieft werden.
Daraus folgt aber: Nicht die Denunzierung von Soldaten führt weiter. Soldaten sind auch potentielle Opfer eines Krieges. Vor allem sind sie Opfer einer falschen, ja mörderischen Sicherheitspolitik. Was hilft, ist nur die radikale Delegitimierung von Krieg und Armee als Problemlösungsinstanzen und der radikale Ausstieg aus der Strategie der nuklearen Abschreckung, eine Strategie, die glaubt, mit der Androhung von Mord beziehungsweise von Selbstmord kalkulieren zu dürfen, um Leben zu bewahren. Notwendig ist statt dessen eine Ordnung der friedlichen, politischen, der zivilen Konfliktlösung. Erster Schritt zu einer echten europäischen Friedensordnung wäre die europaweite Ächtung des Kriegsdienstes.
Ingo Arend, Bundesvorstand der JungsozialistInnen in der SPD
Mit der Äußerung des Frankfurter Arztes „Soldaten sind potentielle Mörder“ können wir uns als Kriegsdienstverweigerer so auch nicht anfreunden.
Wie nennt man denn Menschen, die nach professioneller Ausbildung, gegen Bezahlung und auf Auftrag Menschenleben vernichten? Fühlen sich die Kollektivehrengerührten, insbesondere die bis an die Schmerzgrenze des Beleidigtseins getriebenen Mannen um Herrn Stoltenberg, weniger auf den Patronengurt getreten, wenn es hieße:
-durch Indikation berechtigteR AbtreiberIn geborenen Lebens?
-gemeinnütziger Verein im Bedarfsfall tötender Ordensempfänger?
-potentieller legitimierter Profittöter?
Ermordet und getötet, dem Opfer ist es egal. Wann beginnt endlich die eigentliche Diskussion?
Vier Bremer Zivis
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