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Der steinige Weg der Swapo

■ Namibias sichere Wahlsiegerin im Übergang von Befreiungsbewegung zur demokratisch strukturierten Regierungspartei / Interne Säuberungsaktionen verdrängt

Die Swapo wird die Wahl gewinnen, daran zweifelt in Namibia kaum jemand. Immerhin ist die „Südwestafrikanische Volksorganisation“ die einzige Massenbewegung in Namibia, die Unterstützung in allen Teilen der Bevölkerung genießt. Ihr stärkstes Standbein hat die 1958 als „Owamboland Volkskongreß“ gegründete Partei zwar im zahlenmäßig größten Stamm des Landes im Norden Namibias, den Owambo. Doch die Tatsache, daß die Swapo seit 1966 als einzige politische Gruppe Namibias mit Waffengewalt gegen die illegale Besetzung des Landes durch Südafrika kämpfte, hat Tausende von Namibiern ungeachtet ihrer Stammeszugehörigkeit dazu bewegt, sich der Organisation anzuschließen.

Der Krieg führte auf beiden Seiten zu Grausamkeiten. Südafrikanische Patrouillen mißhandelten routinemäßig die Zivilbevölkerung im Kriegsgebiet, dem Norden Namibias. Es wurde gefoltert, vergewaltigt und gemordet sowie zahlreiche Häuser und Felder zerstört. Bei Angriffen auf Swapo-Lager im Süden Angolas kamen Hunderte von Zivilisten ums Leben. Berüchtigt ist der Angriff auf das Cassinga-Lager 1978, bei dem nach Swapo-Angaben 867 Menschen getötet, 464 verwundet und mehr als 200 Menschen in Konzentrationslager nach Namibia deportiert wurden.

Die Swapo selbst machte sich bei wiederholten Säuberungsaktionen in den eigenen Reihen schwerer Übergriffe gegen interne Kritiker schuldig. Hunderte wurden in Gefangenenlagern als angebliche Spione Südafrikas mißhandelt und ermordet oder jahrelang in unterirdischen Gefängnissen festgehalten. Interne Kritiker der Swapo, darunter zahlreiche junge Intellektuelle und auffallend viele Nicht -Owambos, fielen diesen Mißhandlungen zum Opfer.

Diese Mißstände wurden nach der Freilassung einiger hundert Gefangener im Juli dieses Jahres als Bestandteil des Unabhängigkeitsprozesses endgültig aufgedeckt. Nach anfänglichem Schulterzucken über die Vorwürfe der Gefangenen versprach die Swapo eine „interne Untersuchung und die Bestrafung der Verantwortlichen“. Inzwischen scheint Swapo -Präsident Sam Nujoma allerdings wieder die Position zu vertreten, daß die Anschuldigungen keiner Untersuchung bedürfen. Die Mißhandlung interner Kritiker hat ernsthafte Fragen über das Demokratieverständnis der Swapo aufgeworfen. Seit 1969 hat es keine „Nationale Konferenz“ der Befreiungsbewegung und damit keine Neuwahlen der Führer gegeben. So ist der 60jährige Nujoma, der schon 1959 Präsident wurde, noch immer im Amt - was wiederholt zu Kritik und nachfolgenden Säuberungsaktionen geführt hat. Als starker Mann im Hintergrund gilt der Swapo -Informationssekretär Hidipo Hamutenya, der von Folterungen gewußt und sie zum Teil angeordnet haben soll.

Politisch hat sich die Swapo, die lange eine Moskau-treue marxistisch-leninistische Linie verfolgt hat, zunehmend gemäßigt: Das Wahlprogramm verspricht eine gemischte Wirtschaft, in der multinationale Bergbau- und Fischereikonzerne, die bisher die Wirtschaft beherrschten, weiter ihre führende Rolle spielen können. Zudem wird ein Mehrparteienstaat mit unabhängiger Gerichtsbarkeit und garantierten Menschenrechten in Aussicht gestellt. Von zentraler Bedeutung ist eine umfassende Landreform, die armen Bauern eine Existenzgrundlage geben und vor allem ausländische Landbesitzer verdrängen soll.

Verschiedene Experten werfen der Swapo allerdings vor, ihre Programme kaum konkret formuliert zu haben. So meinen Bildungsexperten, daß für die Beseitigung des 60prozentigen Analphabetentums kein adäquates Programm besteht. Swapo -Mitglieder betonten jedoch, daß die Partei Zeit braucht, um den plötzlichen Übergang von einer militärisch im Exil organisierten Befreiungsbewegung zu einer demokratisch strukturierten Regierungspartei zu bewältigen.

Hans Brandt, Windhuk

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