: Namibias Parteiengemisch
Um die Gunst der Wahlberechtigten unter den etwa 1,5 Millionen Einwohner Namibias, einem Land etwa dreimal so groß wie die Bundesrepublik, haben schon immer eine überwältigende Vielzahl von Parteien geworben. Vor Beginn des Unabhängigkeitsprozesses am 1. April diesen Jahres gab es an die 50 Parteien. Um die Verwirrung etwas zu reduzieren, haben sich für die erste freie Wahl in der letzten Kolonie Afrikas politische Bündnisse gebildet.
Darüber hinaus reduzierte sich die Zahl der Beteiligten durch die relativ schwierigen Bedingungen, die Parteien für ihre Beteiligung an der Wahl erfüllen mußten: Jede Partei mußte im Vorfeld der Wahl mindestens 2.000 Unterschriften von WählerInnen vorlegen und eine Gebühr von 10.000 Rand (etwa 7.000 Mark) zahlen. Die 710.000 eingetragenen Wähler Namibias können ab heute wählen zwischen zehn Parteien oder Parteibündnissen.
Die Hälfte auch der Parteienbündnisse ist nach wie vor unbedeutend klein. Programmatisch unterscheiden sich die Bündnisse zudem nur wenig. Die beiden wichtigsten Kontrahenten sind die „Südwestafrikanische Volksorganisation“ Swapo auf der einen und die „Demokratische Turnhallen-Allianz“ (DTA) auf der anderen Seite. Der DTA gehören zwölf Parteien an, die ihre Basis in unterschiedlichen ethnischen Gruppen haben. Die Mehrheit der 40.000 weißen Wähler wird der DTA ihre Stimme geben.
Auch die etwa 46.000 Wähler der Herero sind größtenteils Anhänger der DTA. Prominentester Führer ist der Weiße Dirk Mudge, unter dessen Führung sich die Allianz seit Ende der 70er Jahre wiederholt an von Südafrika eingesetzten Interimsregierungen in Namibia beteiligt hat. Für diese Beteiligung hat sich die DTA von der Swapo den Vorwurf einer „Marionette Südafrikas“ eingehandelt. Die DTA bietet vielen ehemaligen Soldaten und paramilitärischen Polizisten, die jahrelang im Krieg gegen die Swapo gekämpft haben, eine politische Heimat. Ihnen werden noch heute zahlreiche Übergriffe auf Swapo-Anhänger vorgeworfen.
Die Allianz hat einen aufwendigen Wahlkampf betrieben. Bei DTA-Versammlungen wurden regelmäßig kostenlos Lebensmittel, T-Shirts und Bier verteilt. „Eßt bei der DTA - wählt Swapo“, meinte ironisch ein Graffiti in Katutura, Windhuks Vorort für Schwarze. Programmatisch unterscheiden sich DTA und Swapo überraschend wenig. Beide schlagen eine gemischte Wirtschaft in einem Mehrparteienstaat vor; der Unterschied liegt im Verhältnis zum Nachbarn Südafrika. Die DTA wünscht engere Beziehungen zum Apartheidstaat.
Als drittstärkste Partei gilt die „Vereinigte Demokratische Front“ (UDF), die in den letzten Wochen zunehmend von den Foltervorwürfen gegen die Swapo profitiert hat. Ehemalige Gefangene der Swapo haben sich mit einer eigenen Partei der UDF angeschlossen. Federführend in diesem Bündnis ist allerdings der „Damara-Rat“, Vertreter der 46.000 Wähler des Damara-Stammes.
Im Parteiengemisch spielen auch Stiftungen eine Rolle, die entsprechend ihrer politischen Ziele Geld verteilen. Die „Namibia-Stiftung“, ein südafrikanisches Bündnis, verteilt Geld an alle Parteien, die die Rechte von Minderheiten unterstützen, letztendlich also all jene Parteien, die gegen die Swapo sind. Auch die UDF wird aus Mitteln dieser Stiftung finanziert.
Für die Verabschiedung einer Verfassung durch die 72 Sitze umfassende Versammlung, die aus dieser Wahl hervorgehen wird, ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Kaum ein Beobachter glaubt noch daran, daß die Swapo alleine zwei Drittel der Mandate erreichen wird. Ein Grund dafür ist die Tatsache, daß etwa 60 Prozent aller Wähler Analphabeten sind.
Auf dem Stimmzettel erscheinen deshalb die Symbole der zehn Parteien. Verwirrung ist dabei nicht auszuschließen: Bei Wählerschulungsprogrammen in den letzten zwei Wochen hat die Swapo festgestellt, daß bis zu zehn Prozent aller Wähler aus Unwissenheit ihr Kreuzchen an der falschen Stelle machen könnte. Swapo-Sprecher haben jedoch betont, daß die Partei eine „Regierung der Nationalen Einheit“ anstrebt, also zu einer Zusammenarbeit mit allen anderen Parteien bereit ist.
Hans Brandt
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