: Staatsanwälte als Rechtsbeuger?
■ Berliner Justiz ermittelt gegen fünf Politstaatsanwälte / „Panorama“: Ankläger deckten den Szene-V-Mann Telschow / Mildes Urteil für Steinewerfer „abgekaspert“
Berlin (taz/dpa) - Peinlich, peinlich. Die Berliner Jusitz muß gegen sich selbst ermitteln. Wegen des Verdachts der Rechtsbeugung laufen derzeit strafrechtliche Vorermittlungen gegen den Berliner Generalstaatsanwalt Hans-Wolfgang Treppe und vier Staatsanwälte der seit Jahren umstrittenen politischen Abteilung beim Landgericht. Angestrengt wurde das in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte wohl einmalige Überprüfungsverfahren von Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD). Justizsprecher Christoffel bestätigte gestern einen entsprechenden Bericht des NDR-Magazins Panorama.
Hintergrund dieses Justizskandals ist ein Gerichtsverfahren gegen den früheren V-Mann des Berliner Verfassungsschutzes, Steffen Telschow. Telschow hatte im letzten Jahr gegenüber der taz eingestanden, daß er als V-Mann die Kreuzberger autonome Szene ausspähen sollte und danach auch auf den damaligen SPD-Abgeordneten und jetzigen Berliner Innensenator Pätzold angesetzt war. Im Herbst 1988 wurde Telschow wegen eines Steinwurfs bei einer gewalttätigen Demonstration in einem Schnellverfahren zu einer einjährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.
Um nach seiner Festnahme eine baldige Entlassung aus der Untersuchungshaft zu erreichen, vereinbarte Telschow seinerzeit mit der Staatsanwaltschaft einen Deal: Geständnis des Steinwurfes gegen ein Schnellverfahren und damit Höchststrafe von einem Jahr Gefängnis auf Bewährung. Laut Panorama hatten der Staatsanwalt und seine Vorgesetzten einschließlich Generalstaatsanwalt Treppe gemeinsam beschlossen, dem Richter die Tätigkeit Telschows für den Verfassungsschutz und seine Motive für die Gewalttat ebenso zu verschweigen wie die Umstände seines Geständnisses. Außerdem hätten sie bewußt verheimlicht, daß gegen Telschow noch zwei andere Ermittlungsverfahren liefen. Fest steht inzwischen, daß es tatsächlich eine Staatsanwaltsrunde gegeben hat, wo über den Fall Telschow diskutiert wurde.
Vor der Fernsehkamera von Panora erinnert sich der geständige V-Mann Telschow nun an seine Gerichtsverhandlung: „Ich hab‘ dagesessen und hab‘ so'n bißchen innerlich gelacht, weil man selten erlebt, wie ein Staatsanwalt so ganz cool dahinlügt.“
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