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„Die wären auf die Gleise gefallen“

■ Angesichts der Menschenmassen mußte die Berliner U-Bahn ihre Bahnhöfe dichtmachen

Berlin (taz) - Die Bedingungen für eine Smogglocke waren in Berlin gestern „günstig“, wie es der Meteorologe vom Dienst formulierte. Doch das lag nicht an Zehntausenden knatternden Trabbis und Wartburgs, sondern am Wind aus Südost, der den Qualm der Ostberliner Industriegebiete in die Stadt schob. Wieviele Ostberliner am Wochenende dem Aufruf des Berliner Senats in den Wind schlugen, mit Bussen und Bahnen die Grenze zu über- und unterqueren, konnte in West-Berlin gestern niemand sagen - es war ein schwarzes Wochenende für Statistiker. Viele Besucher aus der DDR und Ost-Berlin ließen ihre Stinkbomber jedenfalls stehen - das konnte jeder bestätigen, der versuchte, mit S-Bahn, U-Bahn oder Bus zu fahren. „Die S-Bahn rollt“, faßte ein Sprecher der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) die Situation zusammen - womit das Eingeständnis verbunden war, daß sich das von Bussen und U -Bahnen nicht immer behaupten ließ.

Die BVG forderte einige Dutzend Busse samt Fahrer aus Westdeutschland an (einige sollen gestern schon angekommen sein), sie zog Busse von Stadtrandlinien ab und mietete 80 Reisebusse, um damit über die innerstädtische Grenze zu pendeln. Von ihrer Ostberliner Schwestergesellschaft BVB borgte sie sich zwei komplette S-Bahn-Züge. Der in Ost -Berlin gelegene U-Bahnhof Jannowitzbrücke, durch den die BVG-Züge 28 Jahre lang ohne Halt brausten, wurde von der DDR am Samstag innerhalb weniger Stunden geöffnet, um den U -Bahnhof Friedrichstraße zu entlasten. Doch es half alles nichts. Immer wieder mußte die BVG für zehn bis fünfzehn Minuten ihre Bahnhöfe schließen. Sonst wären die Menschen „beinahe auf die Gleise“ gefallen, klagte der BVG-Direktor. „Pusher“ hätte die BVG gebraucht, die wie in Tokio die Menschen durch die Türen drücken. Berliner aus West und Ost durften wenigstens die Schadenfreude teilen: Sie lachten gemeinsam über die „Provinzler“ (Ost-Slang) aus Sachsen und Mecklenburg, die heulend auf den U-Bahnhöfen standen und den Weg zurück zur Friedrichstraße trotz Netzplan nicht finden konnten.

Die vielen neuen Lücken in der Mauer werden die Berliner Umweltsenatorin jetzt allerdings zwingen, eine Gesetzeslücke zu schließen. Denn selbst bei Smogalarm ist der grenzüberschreitende Autoverkehr bislang nämlich noch erlaubt. Nun will Senatorin Schreyer verhindern, daß Westberliner bei Smog „nach drüben machen“ und „hier alle Trabbis fahren dürfen“.

Hmt

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