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Berliner Zweitmuseum: „Jetzt erst recht“

■ Interview mit dem Direktor des Deutschen Historischen Museums Christoph Stölzl über die Zukunft seines Instituts nach dem Öffnen der Mauer - Wenigstens an diesem Ort soll möglichst alles beim alten bleiben

Herr Stölzl, es geht das Gerücht um, Sie wollten jetzt Museumsdirektor in Ost-Berlin werden. Stimmt das?

Das ist eine lustige Idee. Aber das ist natürlich Quatsch. Bei aller Euphorie: So einfach verschwinden Staaten und Grenzen nicht von der Landkarte.

Sie müssen ja nicht gleich Direktor im Ostberliner Zeughaus werden, aber man könnte doch schon mal kooperieren.

Wir haben ganz freundliche Beziehungen zu denen. Auf so einer ganz einfachen museologischen Ebene: was Expertisen anbelangt, wie alt was ist, da haben wir ganz nette Kontakte. Lange bevor das hier war - vor ungefähr einem Jahr - hat uns der Direktor schon zu einem Besuch eingeladen. Das war nicht viel anders als mit den anderen deutschen Museen, die ja auch nicht so rasend von Liebe entbrannt waren gegenüber diesem neuen Pflänzchen hier in Berlin. Da hat die Grenze eigentlich gar keinen richtigen Unterschied gemacht. Wir haben damals dem Direktor unser Konzept erläutert, unsere europäisch-vergleichenden Interessen. Das fand er sehr interessant, aber das ist auch sehr weit weg von dem, was die dort tun. Also da wird sich so schnell nichts ändern, sollte unser Haus hier überhaupt jemals entstehen.

Selbst in der SPD wird jetzt wieder eine neue Diskussion über das Deutsche Historische Museum für möglich gehalten. Dies sagte uns jedenfalls die Kultursenatorin Anke Martiny, die ja in den letzten Monaten zur ausdrücklichen Museumsbefürworterin konvertiert ist.

Das muß man jetzt den nächsten Wochen überlassen, was die bringen. Bausenator Nagel macht Ende des Monats noch eine Anhörung zur Architektur, obwohl er am Dienstag bei einer Veranstaltung schon erklärt hat: Das Museum ist weg.

Die Arbeitsgruppe Alternative Deutschlandpolitik in der AL forderte ja schon angesichts der allgemeinen Entwicklung in der DDR, das Projekt zu stornieren, da es nicht einseitig aus westlicher Warte betrieben werden sollte. Muß man denn jetzt nicht wirklich über die Konzeption des Museums neu nachdenken?

Nein, im Gegenteil. Wenn ich die jetzt überprüfe, muß ich sagen, daß die Konzeptoren - zu denen ich ja auch gehörte mit nachtwandlerischer Sicherheit das Richtige getan haben. Die DDR ist ja - im Rahmen Nachkriegsgeschichte - immer als ein bedeutender Teil mit inbegriffen gewesen, wobei niemand so recht wußte, wie das mit Objekten auszustatten sei. Das wird jetzt wohl leichter sein. Und das Europäisch -Vergleichende in Berlin als ein Hauptanliegen ist ja wohl nichts Falsches, wenn Berlin als europäischer Ort jetzt eine unglaubliche Metropolenaufwertung erfährt als Ost-West-, West-Ost-, Nord-Süd-Handelsplatz von geistigen Ideen. Und darum ist das Museum als Ort der Auseinandersetzung hier und zwar gerade da am Spreebogen - an einem guten Platz. Weil der natürlich noch viel symbolischer wird - nahe am Haus der Weltkulturen, nahe dem Grenzübergang. Eigentlich müßte man jetzt doch ganz schnell bauen. Stellen Sie sich vor, das Ding wäre da schon gestanden - die wären doch zu zig-tausenden da hineingeströmt.

Aber Berlin hätte dann zwei Geschichtsmuseen.

Das Zeughaus ist ja etwas vollkommen anderes als das, was bei uns geplant ist. Das ist ein normales, sehr strenges Haus, so wie man eben früher historische Museen gemacht hat. Es ist auch gar nicht sehr groß. Es beschränkt sich notgedrungen sehr stark auf die Geschichte der DDR und die revolutionäre Vorgeschichte, so wie sie sie sehen. Und mehr geht da auch gar nicht hinein. Abgesehen davon stört das genausowenig wie es in allen normalen Städten fünf Kunsthallen nebeneinander gibt, die alle faktisch sehr ähnliche Dinge tun und wohltuend konkurrieren. Was sehr gut ist, weil da die Schläfrigkeit gebremst wird. Drüben gibt es ja auch das Märkische Museum und hier das Berlin Museum. Beide beschäftigen sich mit eigenen Dingen und manchmal mit überschneidenden Themen, und am allerschönsten ist es, wenn sie gemeinsame Sache machen. Aber es wäre ja ganz unanständig zu sagen, jetzt kommt die Demokratie in die DDR, das Zeughaus wird reformiert, und dann machen wir da mit. Das ist doch ranschmeißerisch, das kann man doch nicht machen. Das ist doch wirklich eine Einmischung, wenn man jetzt schon sagt: „Und dann machen wir gemeinsam etwas im Zeughaus.“ Die werden sich bedanken. Natürlich denkt und fiebert man mit, nur davon muß man doch sehr klar trennen die realistischen Erwartungen, was Museen in Zukunft miteinander machen. Wenn Sie wissen, wie wahnsinnig schwer sich westdeutsche Museen untereinander tun, auch nur Restauratoren auszutauschen oder Gemeinschaftsprojekte zu machen, obwohl sie in der gleichen Stadt sind, dann kann man ermessen, wie schwer das über die Grenzen hinweg sein wird. Also ich sehe die Möglichkeit der Kooperation mit dem Zeughaus und den anderen dortigen Museen auch nicht anders als mit den Westdeutschen oder mit den Nachbarländern. Was mit dem Deutschen Historischen Museum gedacht ist, nämlich einen sehr großen Veranstaltungsort auch zu haben - mit zwei Kinos, Veranstaltungssälen, einer großen Passage, einem Kindermuseum, mehreren Restaurants, einer wachsenden Dauerausstellung und 5.000 Quadratmetern Wechselausstellung

-, das ist überhaupt nicht vergleichbar mit dem, was drüben das kleine Zeughaus sein will und kann.

Herr Stölzl, wie halten Sie's eigentlich mit der Wiedervereinigung?

Ich bin ganz altmodisch. Ich kann mir eigentlich nichts anderes vorstellen, als daß letztlich ein Zustand eintritt, wo Grenzen keine Rolle mehr spielen - so wie's im 19. Jahrhundert ja auch ging mit dem Norddeutschen Bund, mit dem Zollverein, mit den Eisenbahnen, mit dem wirtschaftlichen Zusammenwachsen. Die Grenze zwischen Hessen und Bayern spielt ja auch keine Rolle heutzutage, obwohl das tatsächlich zwei verschiedene Gebilde sind. Ich glaube, daß genau das gleiche auch zwischen der jetzigen DDR und der Bundesrepublik der Fall sein wird. Wie das parlamentarisch und technisch ausschaut, da bin ich überfragt, aber daß es auf die langfristige Dauer nicht abgeschiedene Staaten in diesem alten Sinne gibt - also Burgen, wo der Staat Grenzen, Zinnen, Zäune aufstellt -, da bin ich mir ganz gewiß. Das ist ja auch die Erfahrung dieser letzten Woche: Dieses unglaubliche Über-die-Grenzen-schwappen von Menschen, dieser Drang auch, sich zu bewegen, ist offenbar eine Urgewalt, die in irgendeiner Weise Grenzen gegenstandslos machen wird.

Die Frage nach der Wiedervereinigung stelle ich natürlich vor dem Hintergrund dieses Bauplatzes am Reichstag. Einige wollen diesen Platz ja für zukünftige Hauptstadtfunktionen freihalten.

Da muß man sich, glaube ich, jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Daß dieser Platz auch mit dem Reichstagsgebäude ein hoch politischer ist, ist ja gar keine Frage. Und daß auf einem hochpolitischen Platz ein hochpolitisch gemeintes Museum oder eine Kulturinstitution gut da steht, meine ich weiterhin. Ich glaube, da hat sich überhaupt nichts geändert, im Gegenteil. Ich hab‘ immer gesagt: Zuerst kommt der deutsch-deutsche Übergang, dann kommt der Hamburger Bahnhof als Kunsthalle, dann kommen wir als Deutschland -Europa-Dialoghaus, und dann kommt das Haus der Weltkulturen - wenn das keine schöne Steigerung ist. Ob man sich diesen Ort als Regierungsviertel vorstellt irgendwann, und dann dort dieses Museum steht, oder ob das weiterhin ein Kulturplatz bleibt, der mehr ein Platz der Erinnerungen ist, ist für mich eigentlich egal. Vor allem weil auch alternative Standorte nicht aufgetaucht sind. Im übrigen bin ich wirklich froh, daß die Bundesregierung diesen Brief geschrieben hat: Sagt uns ja oder nein bis zum Dezember. Ein Nein kann ganz produktiv sein und ist immer noch besser als ein Jein. Das bringt die Sachen in Bewegung.

Interview: Gabriele Riedle

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