piwik no script img

Friede den Aidskranken im Paradies...

...aber um Himmels willen kein Präservativ! / Johannes Paul II. schließt Kongreß über Immunschwäche stur wie immer ab / Lieber die Ehefrau infizieren als Fremdgehen  ■  Aus Rom Werner Raith

Es ist schon ein Kreuz mit dem Paradies: Da setzt sich der New Yorker Erzbischof O'Connor extra nach Rom in Bewegung, um den Gläubigen höchstselbst zu versichern, daß Aidskranke nach ihrem Ableben unweigerlich in den Himmel kommen, und um dem verblüfften Publikum zu berichten, wie tapfer er selbst sich (deshalb?) nahe den Virusinfizierten aufhält.

Doch als sich tags drauf während des vom „Päpstlichen Rat für Gesundheitsfürsorge“ veranstalteten Kongresses über „Aids - eine Geißel Gottes?“ ein Mann dem Präsidiumstisch des vatikanischen Gesundheitsministers Fiorenzo Angelini nähert und ruft: „Ich bin Priester, und ich habe Aids“ und danach gar ein Transparent „Die Kirche hat Aids“ entfaltet, schritten unverzüglich die Ordnungshüter von St.Peter ein gar so dicht will man mit einem Paradieskandidaten doch nicht zusammenkommen. Der Mann heißt, wie sich herausstellt, John White, ist wirklich Priester, und er ist auch wirklich aidskrank (infiziert in Kenia).

Zwei Tage päpstlichen Brütens, dann haben auch die indignierten Purpurträger erkannt, daß das harte Anfassen des Kranken kein sonderlich publicityträchtiger Akt war; also rief man den Mann nun doch zu einer der Debatten, und da durfte er erklären, wie er denn das mit der aidskranken Kirche gemeint hatte: Sie nehme sich der Virenträger an, diese seien ansteckend, also sei auch sie infiziert. So einfach ist das, man muß nur was für Metaphern übrighaben.

Ansonsten freilich schwanken die gut hundert angereisten Chronisten, was sie denn nun wirklich erlebt haben: Sicher, erstmals wurde auf vatikanischem Boden zum Beispiel über Kondome nicht nur dekretiert, sondern diskutiert. Doch wie das geschah, läßt auch künftig nicht auf viel Gutes hoffen: Die Glaubenshüter von St.Peter sind sich klargeworden, daß mit bloßem Verbot und Strafandrohung fürs Jenseits nichts geht, also versuchen sie es mit diesseitigem Angstmachen: Präservative seien nicht nur unmoralisch, sondern meist auch undicht und daher besonders des Teufels, spiegeln sie doch Schutz vor, während sie im Gegenteil besonders infame Anstecker sind. „Die einzige Reaktion, wenn jemand Aids hat“, sagte der Obermoralprediger, „ist der Abbruch der sexuellen Beziehungen zum Ehepartner.“ Alles andere sei so was wie versuchter Mord oder jedenfalls fahrlässige Tötung. Allerdings - wenn die Enthaltsamkeit etwa dazu führen sollte, fremdzugehen oder zur Scheidung führende Spannungen auszulösen, ist der Mordversuch doch vorzuziehen, dann darf man - „ausnahms weise“.

Die ethische Keule, die ihnen die frommen Männer an den Schädel knallten, wurde von Tag zu Tag größer. Vatikan -Gesundheitsminister Angelini wurde nicht müde, immer wieder zu erinnern, daß „Aids eben durch Homosexualität und Drogenabhängigkeit“ entsteht; selbst der paradiesverheißende O'Connor fand noch seine Haare in der Medizinsuppe: Den Arzneien sähe er eher mit Bangen entgegen - könnte doch sein, daß die so teuer sind, daß „nur wenige kuriert werden können, die meisten aber weiter sterben werden“. Mithin wohl schon lieber gar keine Gegenmittel.

Am Mittwoch dann, nach dem unvermeidlichen Einsatz des vatikannahen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti, der Höhepunkt: der Papst mit seinem Schlußwort. Es dauerte fast eine halbe Stunde, aber es existiert auch eine Kurzfassung: So lange ich da bin, gibt's kein Kondom. Basta.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen