: Schabowski verteidigt sich
■ Vor der Untersuchungskommission, die sich mit den Stasi-Übergriffen befaßt, nahm das Politbüromitglied gestern Stellung / Christa Wolf: Altes Politbüro wollte „Konterrevolution mit allen Mitteln niederschlagen“
Berlin (dpa/afp/taz) - Vor dem Untersuchungsausschuß, der mit der Aufklärung der Übergriffe seitens der DDR -Sicherheitsorgane am 7.Oktober befaßt ist, nahm am Mittwoch der ehemalige 1.Sekretär der Berliner Bezirksleitung der SED Günter Schabowski Stellung zu den Vorwürfen (siehe taz -Dokumentation von gestern), er und seine Partei hätten die Arbeiten der unabhängigen Kommission zu blockieren versucht. Den Tonbandmitschnitten einer Sitzung der SED-Fraktion in der Volkskammer war zu entnehmen, daß Schabowski durch Intervention bei Bischof Forck eine Pressekonferenz zu den Übergriffen verhindern wollte.
In einer Erklärung Schabowskis heißt es dazu, seine Aussagen über ein Gespräch mit Forck und Konsistorialpräsident Stolpe an die Volkskammerfraktion hätten sich auf eine Zusage Stolpes bezogen, eine „mutmaßlich propagandistisch angelegte Übergabe von Aussagen von Bürgern an die internationale Presse im Interesse der Sache doch den bereits arbeitenden Ermittlungsinstanzen zu übergeben“.
Er habe es getan, nachdem bereits ein Gespräch zwischen Egon Krenz und Bischof Leich über ein „gutes kooperatives Verhältnis zwischen Staat und Kirche“ stattgefunden habe. Außerdem, so Schabowski, sei die Arbeit der Kommission von ihm mitinitiiert worden.
In derselben Sitzung berichtete Christa Wolf als Mitglied der Kommission, das Politbüro der SED habe die Vorgänge um den 40. Jahrestag der DDR als Konterrevolution eingeschätzt, die „mit allen Mitteln niederzuschlagen gewesen wäre“. Dies habe der vor kurzem zurückgetretene Volkskammerpräsident Horst Sindermann gegenüber dem Präsidenten der Akademie der Künste Manfred Wekwerth am 1.November erklärt.
Die Zeitung der Liberal-Demokratischen Partei 'Der Morgen‘ berichtete gestern, die Arbeit der Untersuchungskommission sei generell in Frage gestellt, weil „sie oftmals keinen Einblick in entsprechende Unterlagen staatlicher Dienststellen erhielte“. Polizeipräsident Friedhelm Rausch distanzierte sich in der Anhörung vor dem Ausschuß von „zahlreichen Fällen unbegründeter Härte gegen Demonstranten“. Allerdings habe es „einen zentralen Befehl zum Einsatz von Gewalt nicht gegeben“.
Der Befehl, die Polizei mit Schlagstöcken und Wasserwerfern auszurüsten, sei vom Innenministerium erteilt worden. Bisher seien 50 ungesetzliche Inhaftierungen eindeutig festgestellt und der verantwortliche Einsatzleiter der Schutzpolizei seines Amtes enthoben worden. Über 240 Eingaben und Beschwerden seien durch Gespräche geklärt worden. Geschädigte könnten auch Schadensersatzansprüche geltend machen.
Vor der Kommission erschien auch der Chef der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit in Berlin Siegfried Hähnel. Sein Bericht wurde vom Untersuchungsausschuß als „wenig zweckdienlich“ eingeschätzt. Christoph Hein sah in Hähnels Bericht lediglich eine „pauschale Rechtfertigung des Verhaltens der Sicherheitsorgane.“ Unmut hatte vor allem Hähnels Bemerkung provoziert, bei den Demonstrationen habe es sich um „Zusammenrottung“ und somit einen kriminellen Akt gehandelt. Der gleiche Hähnel betonte gestern in einem Interview mit der 'Berliner Zeitung‘, daß „beweiskräftige Feststellungen tätlicher Angriffe auf Angehörige seiner Behörde vorlägen“.
khd
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